Einige Tage vor Erscheinen dieses Artikels hat die Twitter Nutzerin Becca Sherman folgenden Tweet veröffentlicht, und damit unerwartete Unruhe im Internet ausgelöst.
Andere Nutzer kritisierten, dass solche Einladungen dafür sorgten, dass noch mehr „Ausländer“ bzw. „remote worker“ in die Stadt kommen, damit die Preise für die einheimische Bevölkerung in die Höhe treiben, zur Gentrifizierung beitragen und diese remote worker dabei noch nicht einmal Steuern im Land zahlen.
Dies führe dann mittelfristig wieder dazu, dass diese Städte und Regionen sich so verändern, man könnte sagen „verwestlichen“, dass sie dann kaum noch von einer typischen Stadt in den Heimatländern der westlichen Welt aus der diese Remote Worker kommen unterscheiden. Die Preise steigen, die Einzigartigkeit geht verloren, die Digitalen Nomaden ziehen weiter zum nächsten „magischen Ort“, die einheimische Bevölkerung hat das nachsehen.
Hierbei zeigt sich die Absurdität, der diese Remote Worker unterliegen. Auf der einen Seite soll es ein magischer Ort sein, der so anders, so einzigartig ist, anders als das was man aus der eigenen Heimat kennt, andererseits möchte man auf den westlichen Komfort wie Produkte die man aus der Heimat kennt, Einrichtung von Hotels oder Wohnungen wie „zu Hause“, Nutzung der heimischen Währung und dass die einheimischen doch bitte die Muttersprache der Besucher oder doch wenigstens fließend Englisch sprechen nicht vermissen.
Am Ende unterscheidet sich durch diese Angleichung dann irgendwann die Strandbar in Indonesien nicht mehr von der in Mexico oder Griechenland.
Natürlich ist dieser Trend nichts grundsätzlich neues. Man findet ihn z.B. auch im Städtedesign von Metropolen, von Flughäfen über Einkaufsstraßen und Skylines. Auch das Hotelzimmer des Autors in dem dieser Beitrag ensteht könnte statt in Las Vegas auch Frankfurt am Main, Sydney, London oder Santiago sein und es sähe – bis auf die Aussicht aus dem Fenster, exakt gleich aus.
Wenn man sich nicht auskennt, kann man auf den ersten Blick nicht erkennen, welche Skyline zu welcher Stadt gehört. Der Grund dafür ist, dass sich in genau diesen Stadtzentren die gleichen globalen Unternehmen niederlassen, die eben genau diese gleiche Infrastruktur wertschätzen, damit Mitarbeiter, die zwischen diesen Zentren versetzt werden sich sofort wieder zurecht finden.
Genau deshalb sehen auch Flughäfen überall fast gleich aus, Fast Food Restaurants haben die selbe Einrichtung, Apartmenthäuser den gleichen Bauplan und Tankstellen die gleichen Zapfsäulen.
Digitale Nomaden und ortsunabhängige Unternehmer wollen Individualität und Freiheit. Sie schätzen wenn sie „anders“ sind als der Mainstream, doch wenn das Apartment dann keine Klimaanlage hat, Mc Donalds keinen veganen Burger im Menü und der Kellner keine Dollars oder Euros akzeptiert wird man ungemütlich.
Also bemühen sich die Einheimischen, es den Touristen mit den großen Geldbeuteln so angenehm wie möglich zu machen, indem sie die Apartments aufrüsten, das Menü anpassen, die Sprache des Besuchers (oder zumindest Englisch) lernen und sich auch in Fremdwährung bezahlen lassen.
Das ganze kostet natürlich Geld, also steigen die Preise und ganze Straßenzüge und Stadtviertel werden so teuer (denn man muss die Investition ja wieder reinholen), dass einheimische wegziehen müssen oder sich diese neuen Mieten, Immobilienpreise oder Restaurants gar nicht leisten können. Am Ende sind dann die „Expats“ wieder unter sich, und jammern, dass das Land seinen ursprünglichen Charme und Charakter verloren hat. Dabei sind sie selbst mit der Grund.
Am Beispiel von Mexico und den USA zeigt sich ein großer Unterschied. In Kalifornien liegt der gesetzliche Mindestlohn bei ca 15 US Dollar pro Stunde. In Mexico bei ca. 8,50 USD am Tag (Werte von 2021).
Wie soll sich hier also ein mit Mindestlohn vergüteter Mexikaner ein Apartment leisten, dass auf AirBnB für 50 Dollar am Tag an Ausländer vermietet wird und, warum sollte sich ein Vermieter überhaupt die Arbeit machen an Landsleute zu vermieten, wenn er das vielfache durch Ferienvermietung verdient. Also muss der Mexikaner aus der Innenstadt in die Vorstadt ziehen und der Ausländer wundert sich, wo die ganzen Einheimischen leben.
Natürlich hat Gentrifizierung auch ihre Vorteile.
Wenn Ausländer frisches Kapital in Gebiete mit „niedrigerem“ Lebensstandard bringen schafft das bestenfalls neue Jobs und sorgt für die Erneuerung der Infrastruktur. Zwar zahlen die meisten digitalen Nomaden in den Ländern in denen sie zu Gast sind keine Steuern (mal legal, mal illegal), doch geben sie das im Ausland verdiente Geld in der lokalen Wirtschaft aus. Die lokale Bevölkerung bekommt (bestenfalls) höhere Gehälter, hat mehr Kontakt mit Fremdsprachen und Kontakte ins Ausland.
Dieser Effekt der zusätzlichen Kontakte bleibt hingegen aus, wenn die „Expats“ unter sich bleiben, in ihrer eigenen „Blase“. Viele digitale Nomaden und ortsunabhängigen Unternehmer haben und brauchen keine nennenswerte Verbindung zu der lokalen Bevölkerung in der Stadt in der sie gerade sind, abgesehen von einer kurzen Interaktion mit einem Kassierer im Supermarkt, einer Taxifahrerin, Kellnern im Restaurant oder der Einwanderungspolizei bei Ein- und Ausreise. Dadurch bilden sich an diesen Orten Parallelgesellschaften.
Im gleichen Moment in dem wir den Lebensstandard an den Orten an denen wir zu Gast sind anpassen, exportieren wir auch unsere kulturellen Standards in einer Form des Neokolonialismus und verringern die Diversität der Welt, die wir entdecken wollen.
Verhindern wird sich dieser langfristige Trend, dass die Welt bald überall gleich aussieht, wohl nicht mehr. Vielleicht lässt er sich aber verlangsamen, wenn wir nach dem Aussteigen aus der transsibirischen Eisenbahn in Vladivostok nicht gleich zum nächsten Mc Donalds laufen, in Thailand nicht sofort nach einer deutschsprachigen Massage Ausschau halten oder in den Arabischen Emiraten nicht in Badekleidung Metro fahren und damit die Welt „magisch“ lassen und nicht aussehen lassen wie unser Zuhause, dass wir ja verlassen haben, weil es uns dort nicht mehr gefallen hat.