Dieser Artikel befasst sich mit Rechts- und Steuersachverhalten. Bitte beachte hierzu unseren Hinweis zu Rechtsthemen

Eine der ersten Schlagworte, die einem bei der Planung seines ortsunabhängigen Lebensstils begegnet ist die sogenannte „183 Tage Regel“. Hierzu liest man auf diversen Webseiten oder in Sozialen Medien Dinge wie:

Wenn du dich weniger als 183 Tage in einem Land aufhältst, bist du dort nicht steuerpflichtig. Machst du das in keinem Land, bist du komplett steuerfrei.

Während das in manchen Fällen sogar stimmen kann, ist es aber (leider) nicht immer so einfach.

Deshalb schauen wir uns in diesem Artikel die häufigsten Missverständnisse an, die sich hartnäckig um die 183 Tage Regel halten.

Warum eigentlich 183 Tage?

Ein normales Jahr hat 365 Tage, die Hälfte davon sind 183. In Zeiten, in denen die Menschen weniger mobil waren, ging man davon aus, dass wer 183 Tage in Land A verbringt, nicht auch noch gleichzeitig 183 Tage in Land B verbringen kann.

Wenn ich weniger als 183 Tage in einem Land bin, bin ich steuerfrei.

Du wirst z.B. im Steuergesetz vergeblich nach so einer Formulierung suchen. Eher funktioniert es anders herum, dass du ab 183 Tagen Aufenthalt pro Jahr (oder in einem beliebigen 12 Monatszeitraum) im Land garantiert steuerpflichtig bist. Doch das eine beding nicht automatisch das andere. Einach am Tag 182 ins Flugzeug steigen und erst im nächsten Jahr wieder kommen reicht also ggf. nicht aus.

Neben dem Zählen der Tage gibt es von Land zu Land unterschiedliche zusätzliche Regelungen, wie z.B. in Deutschland in den Lebensmittelpunkt oder in einigen Ländern den Besitz von Immobilien oder Einkommen das lokal im Land erzielt wird.

Zudem kennen unterschiedliche Länder auch andere Zählweisen. Nicht nur, dass es Länder gibt, die das Kalenderjahr betrachten, Länder die jeweils die letzten 12 Monate betrachten und wieder andere das lokale Steuerjahr (das nicht immer das Kalenderjahr sein muss), sondern andere Länder haben auch unterschiedliche Mengen an Tagen, z.B. 180 Tage, 6 Monate, 90 Tage, „mehr Tage als irgendwo anders“, oder sie betrachten die Tage im Durchschnitt der letzten paar Jahre. Einfach also nur die 183 Tage im Kopf haben ist hier zu wenig.

Es reicht die Tage zu zählen

Nicht nur der bereits angesprochene Lebensmittelpunkt ist hier ein Hindernis, sondern auch die Definition von Unterbrechungen kann wichtig werden. So sagt z.B. der §9 der deutschen Abgabenordnung, dass kurzfristige Abwesenheiten unberücksichtigt bleiben. Ein Kurzbesuch im Nachbarland oder ein Wochenendausflug müsste man so trotzdem mitzählen, so dass diese Tage schlimmstenfalls in beiden Ländern auf den Zähler kommen. Pendelt man also z.B. wöchentlich zwischen zwei Ländern, die kurzfristige Abwesenheiten nicht berücksichtigen, könnte man schnell in beiden Ländern über die 183 Tage kommen.

Jeder Tag zählt nur einmal

In einer vereinfachten Denkweise geht man oft davon aus, dass man in einem Jahr nur insgesamt 365 Aufenthaltstage produzieren kann und davon die 183 berechnen muss. Doch unterschiedliche Länder zählen anders. So ist z.B. in Land A ein Tag nur relevant, wenn man sich um Mitternacht im Land aufgehalten hat, Land B zählt bereits jede Minute schon voll mit. So kann man z.B. den gleichen Tag in zwei (oder mehr) Ländern verbringen wenn man um Mitternacht in Land A war, um 12:00 mittags in Land B umsteigt und dann um 15:00 in Land C landet.

Oftmals wird hier auch vernachlässigt, dass reines Umsteigen durchaus als Tag im Land zählen kann. Während der internationale Transitbereich eines Flughafens aus Sicht des Einwanderungsrechts nicht zum Aufenthalt zählen kann, kann er das steuerrechtlich schon. Gerade zum Tageswechsel in einem solchen Land zu sein, kann einem schnell zwei Tage auf dem Steuerkalender dieses Landes einbringen.

183 Tage und 6 Monate sind das gleiche

Oftmals wird das gleich gesetzt, das ist aber ein Missverständnis. z.B. sind der Zeitraum vom 1. Januar bis 1. Juli genau so sechs Monate, wie vom 1. März bist 1. September, obwohl im ersten Zeitraum der Februar mit nur 28 (bzw. 29) Tagen dabei ist. Zählt man die Tage (und bezieht den letzten Tag mit ein) sind in einem Jahr, dass kein Schaltjahr ist, der erste Zeitraum aber 182 Tage, der zweite aber 185. Man sollte also genau im Gesetz lesen, ob von 183 Tagen oder 6 Monaten die Rede ist.

Es reicht aus, in einem anderen Land länger zu sein als in Deutschland

Viele Auswanderer können oder wollen von der alten Heimat dann doch nicht wirklich loslassen und kommen auf die Idee, z.B. einfach fünfeinhalb Monate z.B. in Dubai zu wohnen, dann fünf Monate in Deutschland und dann noch ein paar Wochen irgendwo Urlaub zu machen, und wiegen sich im Irrglauben, dass damit keine Steuerpflicht in der alten Heimat besteht, denn man hat ja die 183 Tage nicht überschritten.

Doch alleine an einem anderen Ort länger zu sein, bedeutet nicht unbedingt, dass dort auch der Lebensmittelpunkt liegt. Lebt man z.B. in den fünf Monaten in Deutschland in einer fest angemieteten Wohnung, pflegt seinen Freundeskreis, Vereinsmitgliedschaften oder arbeitet ggf. auch noch vor Ort während seines Aufenthalts, während man in Dubai von Hotel zu Hotel springt und einfach nur seine „Zeit absitzt“, könnte bei der Betrachtung des Lebensmittelpunkts durchaus Deutschland als Gewinner hervorgehen.

Hierbei bietet sich noch ein anderes Problem: Das Risiko in mehr als einem Land steuerpflichtig zu sein. Nehmen wir an, wir verbringen fünfeinhalb Monate in Frankreich und fünf Monate in Deutschland (und noch ein paar Wochen woanders). Frankreich hat eine besondere Auffassung, dass man dort steuerpflichtig wird, wenn man sich in Frankreich länger aufhält als an allen anderen Ländern. Wenn jetzt Deutschland aus den fünf Monaten einen Lebensmittelpunkt ableitet und Frankreich die Tage zählt, haben wir das unerwünschte Ergebnis, das beide Länder unbeschränkt besteuern wollen, obwohl man doch so genau die Tage gezählt hat und unter 183 geblieben ist. Da kommt dann gleich die Idee:

Ich kann mich auf ein Doppelbesteuerungsabkommen berufen

Um beim vorherigen Beispiel zu bleiben, kommen viele dann auf den Gedanken, dass es ja zwischen vielen Ländern ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) gibt, und da dann die 183 Tage der Maßstab sind. Das ist aber leider auch nicht der Fall. Generell hilft dir dein Doppelbesteuerungsabkommen nur, wenn du in zwei (oder mehr) Ländern als unbeschränkt steuerpflichtig eingestuft wirst. Hast du nur einen Lebensmittelpunkt der dir in Deutschland konstruiert wird, aber kein zweites Land, dessen Bedingungen du erfüllst, bleibt nur die Steuerpflicht in Deutschland.

Da DBA vielfältig sind, und den Rahmen des Artikels sprengen, sei nur kurz angefügt, dass DBA unter anderem auf den Wohnsitz, das Vorhandensein (nicht zwingend auch die Nutzung) einer Wohnung, Mittelpunkt der geschäftlichen oder privaten Interessen (z.B. Job, Familie, etc.) und abschließend auf die Staatsbürgerschaft abstellen. Gibt es also bei allen anderen Kriterien ein „Unentschieden“ zwischen den Ländern, bekommt das Land die Steuern, dessen Pass du in der Tasche hast. Oftmals ist die Aufenthaltsdauer (Tage) gar nicht Teil des DBA selbst sondern nur der nationalen Gesetze der Länder.

Für Reisende komplett ohne feste Wohnung, die in mehr als einem Land eine Steuerpflicht erzeugt haben, kann also überraschenderweise sogar herauskommen, dass man im Land der Staatsangehörigkeit Steuern zahlt, auch wenn man sich woanders viel länger aufgehalten hat.

Innerhalb von Schengen überprüft das doch sowieso keiner

Während das in der Praxis sogar so sein mag, dass durch offene Grenzen der eigene Aufenthalt für die Finanzbehörden doch eher schwierig zu bestimmen ist, liegt die Nachweispflicht aber bei dir selbst. D.h. du solltest den Finanzbehörden nachweisen können, dass dein Lebensmittelpunkt woanders ist. Zudem wird – sofern ausreichend Interesse an deiner Person besteht – das Netz durch Methoden wie PNR Daten, ANPR Kennzeichenerfassung, Mobilfunkortung und Kontenzugriff immer engmaschiger, so dass man die Behörden nicht unterschätzen sollte.

Auf Touristenvisum muss ich sowieso keine Steuern zahlen auch wenn ich mehr als 183 Tage vor Ort bin

Dies ist eines der größten Missverständnisse von Dauerreisenden. Hierbei ist zu beachten, das Einwanderungsrecht und Steuerrecht in den meisten Ländern (fast) komplett unabhängig voneinander funktionieren. So haben die USA z.B. überhaupt kein Problem damit, dass illegale Einwanderer eine Steuererklärung auf ihre Schwarzarbeit im Land einreichen und Steuern abführen aber teilen – bis auf wenige Ausnahmen – diese Informationen nicht mit den Einwanderungsbehörden. Anders herum hat ein illegales Arbeiten, was durch die Einwanderungsbehörden festgestellt wird immer gleich noch eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung zur Folge.

Zum Vorteil mag einem hier gereichen, dass in vielen „klassischen“ Aufenthaltsländern für ortsunabhängige Unternehmer die Struktur der Finanz- und Einwanderungsbehörden auf eher geringerem Niveau ist und so etwas nicht aktiv verfolgt wird, solange man mit seinem Laptop im Hotel sein Coaching anbietet und nicht vor Ort ein Stadion mit einem Event befüllt. Legal wird es dadurch nicht. Kommt es nun wie im vorigen Abschnitt beschrieben dazu, dass im Rahmen eines DBA festgestellt wird, dass man in einem Land voll steuerpflichtig wird, in dem man gar keine Arbeitserlaubnis hat, dürfte es eine ganz besondere Herausforderung werden, das dem lokalen Finanzbeamten zu erklären.

Weitere Besonderheiten

Die meisten der oben beschriebenen Fälle stellen auf selbständige oder gewerbliche Arbeit ab. Für Angestelltenverhältnisse können je nach den beteiligten Ländern noch ganz andere Regeln für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gelten. Auch für Einkommen aus Kapitalanlagen, Vermietungen und dem Thema Erben und Verschenken gilt die „183 Tage Regel“ nicht.

Zusammengefasst sollte man also sein steuerfreies Setup nicht alleine auf das Zählen von Tagen reduzieren. Dein persönliches Setup analysieren und optimieren wir gerne in einem persönlichen Beratungsgespräch.