In der heutigen Montagsmeinung wollen wir uns mal der philosophischen Frage des ewigen Lebens widmen. Damit meine ich nicht religiös irgendetwas, was vielleicht (aber meiner Meinung nach eher nicht) nach dem biologischen Tod auf uns zukommt, sondern ganz direkt die Idee, dass Sterben nichts anderes als eine Krankheit ist, die man heilen kann, so wie eine Grippe.

Dabei schauen wir uns einmal ganz nüchtern den medizinischen Fortschritt der letzten 100 Jahre an, und was schon ganz einfache Dinge wie Hygiene und das Verständnis wie chemische Substanzen auf unseren Körper wirken mit unserer Lebenserwartung gemacht hat.

In den letzten Jahren gab es bereits Experimente an Mäusen und Ratten, bei denen gewisse chemische Prozesse so verlangsamt oder gar umgekehrt werden konnten, das man von einem Stoppen der Alterung sprechen kann.

Nehmen wir jetzt noch an, dass diese Technologie noch zu deinen Lebzeiten auch für (jeden) Menschen zur Verfügung steht. Wenn du jünger bist als ich, ist diese Wahrscheinlichkeit natürlich noch viel höher, als wenn du dich jetzt schon im fortgeschrittenen Rentenalter befindest.

Sagen wir einfach mal, die Technologie dafür kommt in den nächsten 20 Jahren. Das würde für mich bedeuten, ich wäre „für immer 60“, während du vielleicht „für immer 40“ wärst.

Was würde eine solche Entwicklung bedeuten? Sowohl für dein persönliches Leben, aber auch für unsere Gesellschaft, für unseren Planeten als ganzes.

Schauen wir uns erst einmal dein persönliches Leben an.

Wie würdest du dein Leben umstellen, wenn jeder zeitliche Druck von dir genommen würde?

Du müsstest dich statt in einem begrenzten Leben nicht entscheiden ob du A oder B studieren willst oder ob du eine Weltreise machst oder deine Doktorarbeit schreibst. Du machst einfach alles. Entspannt. Nacheinander.

Wie würdest du diese (ewige) Zeit für dich nutzen und ausnutzen? Wie würde sich dein Leben ändern, wenn komplett der Druck herausgenommen würde?

Hätte das einen positiven, entspannenden Wert für dich, oder würde es vielleicht auch zu Faulheit und Aufschieberitis führen („Wenn es dieses Jahr nichts wird, probiere ich es einfach nächstes Jahr noch einmal..:“ bzw. „Was du heute kannst besorgen, kannst besorgen du auch morgen“).

Könntest du dir vorstellen, nach X Jahren genug gelebt zu haben? Dann freiwillig die „Pille gegen das Altern“ abzusetzen und dir zu sagen „Ok, das reicht“. Wenn ja, was wäre dein X? 100 Jahre, 250 Jahre, 500 Jahre?

Bevor wir gleich noch schauen, was eine solche Veränderung mit unserer Gesellschaft machen würde, stellen wir uns noch schnell eine wichtige Frage:

Wie würdest du dein heutiges Leben ändern, wenn du ganz sicher wüsstest, dass diese Technologie in 20, 40 oder 60 Jahren zur Verfügung steht?

Wenn du jetzt noch in deinen Zwanzigern bist, denkst du dir, dass du gar nicht so viel tun musst, denn ein Alter von 40 solltest du ja wohl erreichen.

Wenn du jetzt aber vielleicht schon in deinen Fünfzigern bist, überlegst du dir vielleicht, wie du deinen Lebenswandel anpassen musst, um die 70 auch sicher zu erreichen.

Stell dir vor, wie es wäre, wenn du gegen Ende dieser 20 Jahre zittern müsstest, ob du den Durchbruch auch noch erlebst.

Eine schöne Fabel zu dem Thema ist die Drachen Tyrann (auf Englisch).

Was wäre wenn…?

Und können wir uns erlauben, zu warten?

Doch nun zu den Veränderungen, die unsere gesamte Gesellschaft betreffen.

Wie würde sich unsere Gesellschaft, unser gemeinsamer Lebensstil verändern, wenn wir wüssten, dass wir sehr sehr lange, oder gar ewig leben?

Würden wir mit unserem Planeten sorgsamer umgehen, weil wir wüssten, dass wir noch viel länger hier sind und nicht so einfach „Nach uns die Sintflut“ sagen können?

Würden sich unser politisches und wirtschaftliches System verändern?

Eine große Herausforderung dürfte auf jeden Fall das Thema der Überbevölkerung werden. Zwar verhindert eine „Pille gegen das Altern“ nicht, dass noch Menschen sich gegenseitig töten, in Unfällen ums Leben kommen oder sich von selbst entscheiden ihr Leben zu beenden.

Doch auch im Bereich der Lebensumstände dürfte sich einiges verändern. Während gerade in Entwicklungsländern die Lebenserwartung derzeit noch vergleichsweise kurz und die wirtschaftliche Situation schlecht ist, dürfte eine Veränderung zu weniger Bevölkerung führen, da Kinder nicht mehr unbedingt als Altersvorsorge mit eingeplant werden müssen.

Doch auch soziale Unruhen könnten durch eine solche Technologie entstehen. Wie jedes neue Medikament, könnte auch die „Pille gegen das Altern“ anfangs nur für die sehr reichen und wohlhabenden Menschen in den westlichen Ländern verfügbar sein. Das könnte zu chaotischen Zuständen führen, wenn es auf einmal vom Einkommen abhängt, ob man an diesem medizinischen Wunder teilhaben darf. Und: wenn eine privates Unternehmen diesen Durchbruch erzielt: Könnte dieses nicht zu der neuen bestimmenden Kraft werden und entscheiden, wer ihr Produkt zu welchem Preis und in welcher Menge erwerben kann?

An dieser Stelle überlasse ich die Details einer solchen Gesellschaft deiner Phantasie und entlasse dich mit den Fragen:

Kannst du dir erlauben, dein Leben so zu leben, dass du diese Entwicklung vielleicht knapp verpasst?

Und: Kann sich unsere Gesellschaft erlauben, mit der Erforschung dieser Technologie noch weiter zu warten oder sollten wir alle verfügbaren Ressourcen dafür einsetzen?