Dieser Beitrag entstand durch eine kreative Anregung. Wenn auch du ein Thema hast, über das du hier etwas lesen willst, sag mir Bescheid.
Ob wir jetzt aus dem Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit, aus dem Singleleben in eine Partnerschaft oder aus der Eigentumswohnung in Kurzzeitapartments wechseln, in den meisten Fällen sind das zumindest Themen, die an unserer Komfortzone kratzen oder zumindest kurzzeitig für Unsicherheiten sorgen und damit auch eine gewisse Hemmschwelle mit sich bringen, das jeweilige „Projekt“ überhaupt anzugehen.
Interessanterweise finden wir uns dann aber wieder recht schnell in einer neuen Komfortzone wieder und vielleicht kehrt neben der Sicherheit auch mit der Zeit wieder Routine und sogar Langeweile mit ein.
Während sich einigen Bereichen leichter immer mal wieder an der Komfortzone rütteln lässt, in dem man z.B. ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung im Business aufnimmt oder von den Kurzzeitapartments zeitlich befristet ins Camping übergeht, ist das in anderen Bereichen weniger leicht oder kann für komplizierte Situationen sorgen (z.B. mal andere Partner während einer Beziehung auszuprobieren oder gesundheitlich bedenkliche Ernährungsveränderungen machen).
Hier gilt es also realistisch abzuwägen, ob man mit der neuen Challenge an sich selbst nur einen kurzzeitigen aber Mehrwert stiftenden frischen Wind auslöst, oder durch unüberlegtes Handeln ein Langzeitgewitter herauf beschwört.
Zwar ist letzteres nicht immer zum Nachteil, gerade wenn man mit dem aktuellen Status Quo unzufrieden ist, aber für ein solches Langzeitgewitter muss man sich stärker rüsten und vorbereitet sein als für etwas Gegenwind.
Die zwei Abenteuer
Anfangs ist das „die Komfortzone verlassen“ selbst schon ein zusätzliches Abenteuer ganz für sich, zusätzlich zu der eigentlichen Aufgabe, die man sich gesetzt hat, doch unser Gehirn ist so lernfähig, dass es mit der Zeit sogar lernt, wie man aus dem Überschreiten der Komfortgrenze selbst einen ausgeklügelten und routinierten Prozess macht und damit das Kribbeln unter den Fingernägeln schon wieder massiv reduzieren kann.
Was auf der einen Seite für angenehme Beruhigung und mehr Gelassenheit sorgt, hat jedoch auch oftmals die Kehrseite, dass die eigentliche Aufgabe immer exotischer oder anregender sein muss um unseren Geist wirklich völlig „unter Strom“ zu setzen und unsere eigenen, uns selbst gesetzten Grenzen zu erweitern und daraus einen Aha-Effekt mitzunehmen.
Im sportlichen Bereich kann dies das klassische „höher, schneller, weiter“ sein, also noch ein höherer Berg, noch mehr Vollgas im Sportwagen oder im Meer noch weiter raus schwimmen oder im Thema Finanzen kann es sein, immer riskantere Geldanlagen zu wählen. Hier sollte man aufpassen, niemals die Sicherheit über Bord zu werfen, denn weder mit Vollgas mit dem Sportwagen in der Leitplanke zu enden noch mit CFDs sein gesamtes Vermögen zu verlieren, sind Erfahrungen, die man außerhalb der Komfortzone machen will.
Unser Belohnungszentrum als Feind der Veränderung
Neben dem Druck, den sich das Gehirn aufbaut, immer öfter die Komfortzone zu verlassen, weil es jetzt ja gelernt hat, wie dieser Prozess funktioniert, gibt es aber auch unser Belohungszentrum im Gehirn, dass dafür sorgen kann, dass wir nachdem wir einmal diesen Schritt aus unserer Komfortzone gemacht haben uns erst einmal auf die Schulter klopfen können und sehr lange in unserer leicht größeren Blase der Sicherheit verweilen können um dort von unseren vergangenen Erfolgen zu zehren.
Je länger wir das jedoch machen, desto mehr verlernt unser Gehirn den frisch gelernten Prozess des Verlassens und wir starten dann irgendwann wieder bei Null.
Selbsttäuschung
Das dritte Risiko liegt in etwas, das unser Gehirn auch sehr gut kann, sich selbst belügen. Schnell verkaufen wir uns Dinge, die uns eigentlich leicht von der Hand gehen, als den Schritt aus der Komfortzone, nur weil jemand anderes sagt, dass das ja so kompliziert sei oder eine so große Leistung wäre. In dem Fall verlernen wir oft nicht nur uns selbst realistisch einzuschätzen sondern bauen ein immer verklärteres Selbstbild von uns auf, „wie toll wir doch sind“, und „was wir doch alles können“ obwohl wir eher mit Babyschritten durch die Welt gehen.
Wie weit sollten wir uns aus unserer Komfortzone entfernen?
Für diese Antwort nehmen wir uns ein Bild zur Hilfe, und zwar ganz ohne esoterischen Hintergrund, sondern nur, weil dieses Bild eine sehr gute Visualisierung des Ganzen darstellt.
Das Symbol von Yin und Yang.
Eine Seite beschreibt deine Komfortzone, den Ort an dem sich alles „sicher“ anfühlt, über den du die Kontrolle hast, den du verstehst und den du hinreichend gut vorhersehen kannst. Nennen wir diese Seite die „Ordnung“.
Die andere Seite ist das „Chaos“, Dinge die dir unangenehm sind, bei denen du dir unsicher bist, über die du nicht genug Wissen hast oder die du nicht vorhersehen kannst.
Wenn wir annehmen, dass dieses Symbol alle deine persönlichen Erfahrungen beschreibt (und die sind etwas anderes als „objektive“ Existenz von Dingen), dann können wir sagen, dass alles, wo auch immer du hingehst, was du um dich herum wahrnimmst und wer auch immer du bist, entweder aus Dingen besteht die du kennst, von denen du siehst dass sie so „funktionieren“ wie du es gewohnt bist und aus Dingen die du nicht verstehst und die dir von jetzt auf gleich den Boden unter den Füßen weg ziehen können. Sie sind also die „Grundlage“ von persönlichen Erfahrungen.
Auch siehst du beim betrachten des Symbols, dass sich im schwarzen Feld ein kleiner weißer Kreis befindet und im weißen Feld ein kleiner schwarzer Kreis.
Das zeichnet für uns ab, dass sich inmitten von „Chaos“ auf einmal eine „Ordnung“ ergeben kann (z.B. weil du auf einmal verschiedene unbekannte Erfahrungen für dich so kombinierst, dass sie „als Paket“ einen Sinn ergeben oder neue Erkenntnisse eröffnen), als auch, dass sich in deinem gewohnten Bereich der „Ordnung“ auf einmal „Chaos“ einstellen kann, weil etwas leicht anders funktioniert als du erwartet hast oder sich gewisse Rahmenbedingungen oder äußere Einflüsse geändert haben.
Wenn du dir jetzt vorstellst, du stehst mitten in deiner Komfortzone (auf der Seite der „Ordnung“), und planst einen großen Sprung ins „Chaos“ zu machen, wie groß ist die Chance, dass du genau wieder in dem kleinen Punkt, der kleinen Insel der „Ordnung“ landest, die im „Chaos“ schwimmt? Sehr gering. So sind deine Chancen auf einen Erkenntnisgewinn indem du komplett zufällige Dinge tust.
Wenn du aber nur einen ganz kleinen Sprung oder Schritt machst, wirst du wahrscheinlich gar nicht erst die andere Hälfte des Kreises erreichen, sondern weiter im sicheren Bereich bleiben, dir aber vielleicht einreden, du hättest das „Chaos“ besiegt.
Die Antwort lautet hier also: genau die gewundene Mittellinie zwischen „Ordnung“ und „Chaos“. Interessanterweise nennt man dieses Yin Yang Symbol auch „dao“ was auch „Weg“ bedeutet, also den Pfad am Rande des „Chaos“ bzw. am „Rande der Erkenntnis“.
Als letzte Interpretation dieses Bildes stelle dir vor, eine Seite ist der Ozean (der Erkenntnis) und der andere das bekannte, kartographierte Land und du gehst immer nur gerade ein paar Schritte am Küstenstreifen ins Wasser um ein bisschen Wasser mitzunehmen, ein Fuß im Wasser, einer an Land. (Oder, wenn du dich im „Wasser“ zu Hause fühlst, du gehst immer nur ganz wenig an Land, um dir leicht die Füße voller Sand der Erkenntnis zu machen bzw. etwas abzutragen).
Übrigens: Wenn du wie „die Mehrheit“ der Menschen „tickst“ hast du im obigen Bild die weiße Seite mit Ordnung und Komfortzone und die dunkle Seite mit „Chaos“ assoziiert 😉 Das hat etwas mit Tiefenpsychologie zu tun, führt an dieser Stelle aber zu weit.
Wann merke ich, dass ich an dieser Linie angekommen bin?
Ganz einfach, du merkst, dass dich etwas interessiert bzw. du dich mit etwas beschäftigst. Dinge, die du kennst lösen in deinem Nervensystem keine Begeisterung aber auch keine Angst mehr aus. Sie sind „neutral“. Sobald dich aber etwas in eine der beiden Richtungen – und damit die Aufmerksamkeit auf sich – zieht, weißt du, du bist auf dieser Linie, an der sich neue Erfahrungen ergeben.
Bist du zu weit in der Ordnung, ist es langweilig. Zum Beispiel weil du ein Buch schon zehn Mal gelesen hast und du alles Wissen daraus schon verinnerlicht hast, ist die Erwartung eines neuen Erkenntnisgewinns fast Null, dementsprechend bringst du kein Interesse auf, das Buch ein elftes Mal zu lesen. (Wenn du es wirklich zehn Mal gelesen hast, war das vermutlich sowieso zu viel, aber das ist eine andere Betrachtung).
Bist du zu weit im Chaos, findest du nichts was dich stimuliert und interessiert, weil du nichts von dem um dich herum verstehst. Stelle dir vor du liest (oder versuchst es zumindest) eine wissenschaftlich bahnbrechende und hochwertige Veröffentlichung zum Thema Molekularbiologie in spanischer Sprache, und du weißt weder wie das genau mit der DNA, RNA, den Proteinen etc. funktioniert, noch gehen deine Spanischkenntnisse über „una cerveza por favor“ (ein Bier bitte) hinaus. So interessant die Veröffentlichung auch objektiv sein mag, du kannst aus ihr keine Erkenntnisse und Erfahrungen gewinnen, weil dir die Grundlagen fehlen und du über die Schritte „Biologie Grundkurs“ und „Spanisch lernen“ hinweg gesprungen bist.
Genau auf dem Weg findest du aber ein Buch, dass dich an deinem aktuellen Wissenstand abholt und dich leicht darüber hinaus führt. Du merkst genau die „Bruchstellen“ an denen dein bestehendes Wissen bzw. deine persönliche Erfahrung aufhört und etwas unbekanntes, aber noch grundsätzlich lernbares und verständliches beginnt.
Dieses Phänomen funktioniert natürlich nicht nur mit Büchern, sondern auch mit Filmen, Orten, Gesprächen und anderen Menschen allgemein.
Übrigens machen wir uns das gleiche „Muster“ zu nutze, wenn wir anderen Menschen etwas beibringen. Wenn ich dir in einer Beratung etwas über qualitativ derivative Zahlungen erzähle und du nicht einmal die Grundkenntnisse der Buchhaltung oder Unternehmensführung kennst, wirst du meinen Worten nicht lange Beachtung schenken, denn es ist völlig über deinem „Horizont“, wenn ich dich andererseits mit den Grundbegriffen von „Soll“ und „Haben“ langweile und du BWL studiert hast, wirst du gähnend „langweilig“ rufen. Der Trick ist hier, genau da anzusetzen, wo dein Wissensstand aufhört und etwas neues beginnt.
So bringen auch Eltern (übrigens völlig unbewusst) Kindern das Sprechen bei, indem sie immer leicht komplizierte Sätze und Zusammenhänge verwenden, als das Kind gerade verstehen kann. Nicht zu einfach, dass das Kind schon alles kennt, aber auch nicht zu kompliziert, dass es gar nicht mehr mitkommt. Durch die leichte Überforderung, „ziehen“ sie das Kind sozusagen in einem Tempo hinter sich her, dass es selbst gerade noch schaffen kann.
Genau in diesem „sweet spot“ ist unsere Aufnahmefähigkeit und unser Interesse an unser Umwelt und unseren Mitmenschen am größten.
Denke mal kurz, was es heißen würde, wenn das stimmt, was ich hier schreibe (und: ja, das tut es):
Es würde bedeuten, dass wenn du genau darauf achtest, was dich interessiert und was deine Aufmerksamkeit erregt, und du das weiter verfolgst, du immer interessiert sein wirst an dem was du tust. Langeweile wird zum Fremdwort. Doch noch besser: Es führt dazu, dass du gleichzeitig deine Anpassungsfähigkeit maximierst.
Warum ist das Verlassen der Komfortzone so wichtig?
Während wir uns ausruhen dreht die Welt sich immer schneller weiter und Dinge verändern sich. Warten wir zu lange, hat sich die Welt schon so stark von unserem bekannten und sicheren Weltbild entfernt, dass wir nicht nur mit der neuen Situation total überfordert sind, aber auch gleichzeitig verlernt haben, wie man sich neuen Rahmenbedingungen anpasst. Mit Glück und großer Kraftanstrengung kann man hier vielleicht dann doch noch aufholen, schlimmstenfalls findet man sich aber in einer Welt wieder, in der der „Zug abgefahren“ ist und man nur noch negative Emotionen erzeugen kann, weil man „die Welt nicht mehr versteht“ oder „früher alles besser war“.
Regelmäßige kleinere Veränderungen fallen hingegen meist leichter, als von jetzt auf gleich alles was man je für richtig hielt über Bord werfen zu müssen.
Wie sieht also ein guter Weg aus, der nicht zur dauerhaften Übertreibung führt, uns nicht auf vergangenen Erfolgen ausruhen lässt, und Risiken ehrlich bewertet?
Mein persönlicher Ansatz hierzu besteht aus:
- Regelmäßigem Überschreiten der Komfortzone.
- Fremdbestimmten Überschreiten der Komfortzone.
- Realistische Bewertung meiner Leistungen durch Dritte, die mir nicht nach dem Mund reden müssen.
Regelmäßiges Überschreiten der Komfortzone
Für mich persönlich steht das Ziel auf der Agenda, die Komfortzone mindestens einmal im Monat oder zwölf Mal im Jahr zu verlassen. Das mag für manche nach „zu oft“ klingen, was dann stimmen kann, wenn man sich gerade zum ersten Mal damit beschäftigt, wie man das überhaupt angeht, denn dann sind schnell ein oder zwei Monate Vorbereitung vorbei, bevor man zur ersten Aufgabe kommt und man fühlt sich schon im Rückstand. Auch breitere Abstände sind also durchaus realistisch, z.B. einmal im Quartal. Weniger als einmal im Jahr würde sich für mich schon wieder zu sehr nach „auf alten Erfolgen ausruhen“ und zu wenig persönlicher Weiterentwicklung anfühlen, doch ist einmal im Jahr immer noch besser als gar nicht.
Fremdbestimmtes Überschreiten der Komfortzone
Hier geht es vor allem um die Auswahl der Tätigkeit oder der Veränderung als um die Bestimmung des Zeitpunkts. Wenig überraschend kennen andere Menschen uns in einigen Belangen besser als wir selbst, da unser Gehirn gelernt hat, unangenehme fehlende Fähigkeiten auszublenden und sich nur auf unsere Stärken zu konzentrieren.
Wenn man sich also immer nur selbst die Aufgaben stellt, unterfordert man sich oftmals selbst.
Gerade dann wenn mehrere Menschen im eigenen Umfeld einen in einer vertrauensvollen Atmosphäre auf die eigenen Blockaden und Unzulänglichkeiten hinweisen, ergeben sich Möglichkeiten viel größere Schritte aus der Zone zu machen als immer nur den eigenen „kleinen“ Schritt zu gehen.
Aus diesem Grund lasse ich mir hin und wieder von vertrauenswürdigen Menschen meines Umfelds Anregungen oder Aufgaben zum Verlassen der K-Zone geben.
Stark unterscheiden muss man hiervon aber das Menschen in deinem Umfeld dich zu irgendwelchen Dummheiten anstiften, bei denen du dich öffentlich lächerlich machst, schon absehbar ist, dass du scheiterst oder allgemein der Entertainmenteffekt größer ist als der des persönlichen Wachstums. Sicherlich kann es auch hier und da mal gut sein, sich selbst „zum Affen“ zu machen, doch ist das selten der beste Weg um sich zu verbessern.
Realistische Bewertung durch Dritte
Gerade im Zusammenhang mit dem fremdbestimmten Überschreiten steht auch die Bewertung durch Dritte, ob sich meine Persönlichkeit, mein Skillset, mein Business, etc. durch die letzte Aktion auch wirklich verbessert hat, oder ob ich mir hier selbst etwas vormache und den Punkt einfach als „geschafft“ markiere, ohne das eigentliche Wachstumspotenzial wirklich zu heben. Bei der Auswahl dieser „Jury“ gilt es natürlich besonders darauf zu achten, dass diese aus Menschen besteht, die dir zwar sowohl auch Gutes wollen, aber auch keine Veranlassung haben, dir nach dem Mund zu reden und offen Kritik äußern können, ohne dass es hier zu persönlichen Verstimmungen führt. Nicht immer sind die Lebenspartner, Familienmitglieder, engste Freunde oder angestelltes Personal die besten für diese Position.
Deine unternehmerische Komfortzone
Auch wenn wir beim Thema K-Zone meist nur an private Wachstumsmöglichkeiten denken, ist – für Selbständige und Unternehmer mehr als für Angestellte – auch das geschäftliche Umfeld eine gute Gelegenheit über die eigenen Erfahrungswerte hinaus zu gehen und sich an neuen Dingen zu versuchen, doch auch hier gilt der oben beschriebene Weg „an der Küste entlang“ als erfolgversprechender als der Versuch der Punktlandung auf der kleinen exotischen Insel.
Hast du zum Beispiel bisher erfolgreich einen kleinen oder mittleren Handwerksbetrieb (sagen wir mal Schreiner) geleitet, ist der weite Sprung mit dem Versuch ein Social Media Tech-Startup zu gründen und zum Erfolg zu führen ohne Hintergrundwissen wie eine gewisse Technologie funktioniert, wie du Geld für deine Idee einsammelst oder international Datenschutz gehandhabt wird genau dieser Versuch diese kleine Insel der Ordnung im Ozean des Chaos zu treffen. Vielleicht bist du das „unicorn“ das es schafft, wahrscheinlich gehst du aber einfach ohne Rettungsweste unter.
Erweiterst du aber z.B. deinen Schreinerbetrieb um die erste Möglichkeit, sich online seinen Wunsch-Kleiderschrank zu designen, bleibst du mit einem Bein in deiner vertrauten Branche, während das andere erste Schritte in der digitalen Welt macht.
Bei der zweiten Variante lernst du mindestens genau so viel, wenn nicht sogar mehr, aber erleidest keine großen Verluste.
Eine ähnliche Überschätzung der eigenen Fähigkeiten machen Unternehmer z.B. wenn sie sich zum falschen Zeitpunkt mit dem Thema Unternehmensgründungen im Ausland beschäftigen. Wenn du bisher nicht einmal im Heimatland deine eigene Steuererklärung (oder Bilanz) verstehst und dann versuchst dir – am besten noch ohne fremde Hilfe – eine internationale Holdingstruktur aufzubauen wirst du hier auch sehr oft organisatorischen aber vielleicht auch finanziellen Schiffbruch erleiden. Sich dabei unterstützen zu lassen, ist wie eine Landkarte zur Insel, oder einen Strandführer dabei zu haben. Das bringt uns zum vorletzten Punkt:
Die Komfortzone alleine verlassen oder gemeinsam mit anderen
Die kurze Antwort ist: Beides geht. Doch nicht immer ist beides gleich wirksam.
Ausführlicher betrachtet kann es dann sehr spannend sein, die Linie einer K-Zone gemeinsam zu übertreten, wenn es eine solche gemeinsame Linie eben auch genau gibt. Wenn dein persönliches Toleranzlimit viel niedriger (oder viel höher) liegt, als das der anderen Person wird sich einer von euch wieder langweilen und der andere überfordert fühlen. Liegen diese Linien aber sehr nahe beieinander kann es eine gute Erfahrung sein, gemeinsam zu lernen.
Dieses gemeinsame überschreiten einer ähnlichen Grenze ist übrigens eine Aktivität, die Menschen zusammenschweißt. Hier entstehen und festigen sich manche Freundschaften, aber noch viel mehr Beziehungen und Partnerschaften.
Denn man lernt hier die andere Person nicht nur von der „Schokoladenseite“ kennen, sondern erlebt aus erster Hand, wie sich diese in unsicheren Gewässern oder gar Krisensituationen verhält.
Genau dieser Mangel an Perfektion hilft dann vielen ihre eigenen Bedenken wie „ich bin nicht gut genug für diese Person“ oder „X kann so viel besser als ich“ aus dem Weg zu räumen und eine weniger verklärte Sichtweise des anderen aufzubauen und zu merken „X hat die gleichen Ängste oder Unsicherheiten wie ich“.
Ein anderer Ansatz etwas gemeinsam zu tun ist wenn eine Person vergleichsweise „passiv“ den Weg des anderen, der die K-Zone verlässt unterstützt. Beim Sport würde man sagen, es sind diejenigen die an der Seite stehen und applaudieren oder unterwegs die Wasserflasche reichen, selbst wenn sie den Marathon laufen könnten ohne aus der Puste zu kommen. Gerade wenn du dir besonders unsicher bist, kann es helfen, dir „moralischen Beistand“ zu holen der voll hinter dir steht, egal wie „gut“ oder „dumm“ du dich anstellst. Nicht geeignet als Begleiter sind hingegen Mitmenschen, die sich an deinen Fehlern amüsieren, dir dein Scheitern vorhalten oder gar im Nachhinein „schon immer wussten“ dass die Aktion eine ganz blöde Idee war.
Zuletzt gibt es aber auch die „Dämonen“ in uns, die wir nur selbst und alleine für uns besiegen können. Sei es, weil die Grenze unserer K-Zone so individuell verläuft, dass keiner unserer Mitmenschen verstehen würde, was daran jetzt „so schwer“ ist, oder weil wir damit, dass wir diese Grenze vor anderen zugeben, uns mit so viel zusätzlichem Druck belasten, dass wir dann nur durch diesen Druck an unserer eigentlichen Aufgabe scheitern. Am Ende ist dieser Druck in sich auch wieder nur eine andere Stelle der Grenze der Komfortzone, doch an zu vielen Fronten dieser Grenze gleichzeitig aktiv zu sein, raubt dann die nötige Energie um Erfolg zu haben.
Welche Dinge eignen sich für das Verlassen der Komfortzone?
Jeder Mensch ist komplett anders, vieles was für den einen eine riesige Überwindung bedeutet, ist für jemand anderen super einfach oder gar im Alltag selbstverständlich. Hier konkrete Empfehlungen zu geben, welche Tätigkeiten du gleich anpacken solltest greift also zu kurz. Gute Indikatoren für eine mögliche Challenge sind aber (je mehr davon zutrifft, desto besser):
- Du bist in Versuchung sofort „Nein“ zu sagen
- Du machst das „schon immer“ anders und es hat ja funktioniert
- Du hast Angst dich zu blamieren
- Du fühlst Angst zu scheitern
- Du malst dir aus, was passiert wenn du das machst und andere darauf schlecht reagieren und sich deshalb Freundschaften, Beziehungen, Arbeitsverhältnisse etc. ändern
- Du hakst es als „das ist nichts für mich“ ab, bevor du es probiert hast
- Du hast feste Glaubenssätze in Form von „ich kann X nicht“ im Kopf
Die „Killerfrage“ die dir aber fast immer beantwortet, ob du gerade vor einer guten Challenge der K-Zone stehst, ist, ob du es selbst im Alter bereuen würdest, es nicht wenigstens versucht zu haben.
Wenn darauf die Antwort kein klares „Nein“ ist, solltest du überlegen ob du es nicht mit auf die Liste der Dinge setzt, die du für dich lösen willst.
Manchmal hilft etwas Inspiration, daher an dieser Stelle ein paar Dinge, die ich in den letzten Jahren gemacht habe um die Grenzen meiner eigenen Komfortzone einzureißen. (Diese Liste zu veröffentlichen ist übrigens ebenfalls ein kleiner Crash meiner eigenen K-Zone 😉 ) Nichts davon ist natürlich zur ungefilterten Nachahmung empfohlen:
- Ein Jahr ohne Smartphone
- Im Winter mit der transsibirischen Eisenbahn reisen, mit dem Ziel in jeder Stadt eine andere Frau zu daten ohne nennenswert Russisch zu sprechen
- Nach über 10 Jahren in denen ich nicht im Meer (ja nicht mal schwimmen) war Tauchen zu gehen
- Spontan Tanzkenntnisse auffrischen (steht evtl. auch bald erneut an)
- Im Casino weit mehr setzen als sich gut anfühlt
- Urlaub mit komplett Fremden (Tisch und Bett teilen)
- Eine wichtige Lebensentscheidung durch das Werfen einer Münze entscheiden lassen (mehrfach, immer wieder eine Challenge)
- 2000+ KM für ein Blind Date fliegen
- Alleine nachts im Death Valley „übernachten“
- Lernen nicht immer als Telefon zu gehen, nur weil jemand anruft
- Testament schreiben und einmal im Jahr updaten
- In Sandalen und kurzer Hose herumlaufen
- Haare selbst schneiden
- Bucket List öffentlich ins Internet stellen
und einiges mehr,
Aber die aktuelle Aufstellung soll dir zeigen, dass es nicht nur „super komplizierte Dinge“ sind, die die K-Zone erweitern, sondern auch super banale Kleinigkeiten, die für andere „normal“ sind.
Alleine während diese Zeilen entstehen, sind mir schon wieder mehrere Dinge eingefallen, wie ich in den kommenden Tagen und Wochen meine eigene Komfortzone erweitere, vielleicht dir ja auch? Wenn ja halte es mit dem Motto der altgriechischen Sportgöttin Nike: Just do it!