Fake it until you make it

Diesen Satz kennen wir aus der Geschäftswelt als Strategie um erfolgreich zu werden oder auch aus der Verkaufspsychologie um unsere vermeintlich jahrelang getesteten Produkte dem ersten Kunden zu verkaufen.

Doch was im geschäftlichen Bereich noch funktionieren mag, ist im privaten Bereich schon schwieriger.

Ja, wir wissen, dass „fake it until you make it“ zum Beispiel auch für unsere Emotionen funktioniert, d.h. ob mich erst freue und dann lache oder erst lache und damit meinem Gehirn zeige, dass ich mich freue hat oft den gleichen Effekt, doch in der Interaktion mit anderen führt diese Strategie oft in den Abgrund oder hat gar die gegenteiligen Konsequenzen.

Schauen wir uns zuerst den Bereich „Reichtum“ an.

Reichtum oder auch Vermögen genannt ist relativ klar erkennbar und lässt sich nach unserer Skala in gut definierte Gruppen einteilen.

Wenn du dich innerhalb deiner eigenen Gruppe bewegst ist das Leben nicht zu anstrengend und deine Einnahmen und Ausgaben decken sich im Rahmen der Gruppe mit den Einnahmen und Ausgaben anderer Gruppenteilnehmer. Begibst du dich in eine Gruppe mit niedrigeren Einkommen oder Lebensverhältnissen kann das hier und da für einen Boost deines Egos führen, weil andere zu dir hinaufsehen, und du für eine Gruppe nicht so gut verdienender mal problemlos das Abendessen bezahlst. Du wirst vielleicht als spendabel angesehen, aber das kann auch den negativen Beigeschmack haben, dass du nur wegen deines Vermögens und nicht wegen deiner „inneren Werte“ gemocht wirst.

Der wahre Reiz besteht aber scheinbar für viele, sich in eine der höheren Gruppen (meist wird eine Gruppe Differenz übersprungen) zu positionieren und vorzugeben, dass man „dazugehört“.

Da hier die Ausgaben dieser Gruppe die eigenen Einnahmen meist deutlich überschreitet, muss man dazu entweder kreativ werden (z.B. indem man sich ein luxuriöses Auto, eine Golfausrüstung oder ein Abendkleid leiht statt es zu besitzen) oder die Ersparnisse aufbrauchen um hier mithalten zu können.

Neben der eigenen Bestätigung, dass man mit diesen Menschen mithalten kann, erfreut man sich auch an der Anerkennung anderer. Doch irgendwann sind die Ersparnisse aufgebraucht, und dann finden diese Anderen oder auch die Mitglieder der Gruppe heraus, dass man gar nicht dazugehört. Das hat dann viel größere Schäden am Image, als die vorherige Anerkennung jemals wert war.

Beim Thema Status oder „Klasse“ sieht es zwar ähnlich aus, doch sind hier die Risiken größer, sich von Anfang an direkt zu verraten, dass man nicht wirklich dazu gehört, da man sich Geld zwar leihen kann, gewisse Handlungen, Fähigkeiten oder „Spezialwissen“ eher schlecht vorgeben kann.

Hierzu einmal ein paar Beispiele, die das verdeutlichen:

Öffentliches zur Schau stellen von Bargeld

Dass man Reich ist oder einen hohen Status hat, muss man doch sehen. Aber unter wahrhaft wohlhabenden gilt der Satz

Wenn du es tragen und zählen kannst, hast du nicht wirklich viel.

Statt also deinen Geldbeutel mit 10 Euro Scheinen dick erscheinen zu lassen, nimm lieber nur einen Schein mit, und der ist fürs Trinkgeld an den Kellner.

Übermäßige Nutzung von Sozialen Medien zur Selbstdarstellung

Schau mal, was ich alles kann

schreien die ganzen Profile von Menschen mit vermeintlich hohem Status. Ob des die Villa (gemietet via AirBnB), der Sportwagen (mit dem dezent versteckten Aufkleber der Mietwagenfirma), der Anzug (geliehen) oder der teure Bikini (14 Tage Rückgaberecht bei Amazon) oder das Boot (gechartert für 30 Minuten weil alle zusammenlegen) sind, all das dient nur dazu, sich die Bestätigung und die Bewunderung anderer einzufangen, die dann glauben man hätte mehr Status als sie selbst. Wer das hingegen nicht beachtet sind die Menschen, die diesen Status schon lange haben, denn diese müssen sich nicht nur nichts beweisen, sondern haben sogar ihre eigenen privaten sozialen Netzwerke.

Öffentliches zur Schau stellen von Mode/Accessories

Wenn die Handtasche die du hältst mehr kostet als du an Geld hast um es in die Tasche zu stecken, war sie zu teuer.

Viele glauben, dass man um einen hohen Status zu zeigen auch Markenkleidung tragen muss. Genau diesen Glauben nutzen die Hersteller dieser Markenkleidung/-produkte aus, um dieses Produkt um ein vielfaches teurer zu verkaufen wie das gleiche Produkt ohne den Markennamen wert wäre. Es gibt zwar auch „Prominente“, die Kleidung mit aufgestickter Marke tragen, doch diese werden in der Regel dafür bezahlt und bekommen die Produkte sogar oft kostenlos.

Viele Menschen mit höherem Status kleiden sich daher eher langweilig in einfacher Kleidung. Was nicht heißen muss, dass diese auch „billig“ war. Es gibt auch viele hochwertige Produkte, die ohne ein aufgenähtes Logo auskommen, denn untereinander muss man sich nichts mehr beweisen.

Eine Besonderheit sind hier gefälschte Markenprodukte. Egal wie gut die Fälschung ist, solange du selbst das Wissen hast, dass es gefälscht ist, benimmst du dich – subtil – anders, als wenn du das echte Produkt besitzt.

Das Gesamtbild stimmt nicht

Du trägst zwar luxuriöse Kleidung, aber hast z.B. schlechte Zähne, mangelnde Körperhygiene, ungeschnittene Fingernägel oder bist ungewöhnlich blass (oder „solariumsgebräunt“). Menschen mit einem gewissen Status haben nicht nur das Geld um diese Dinge in Ordnung zu bringen, sonden vor allem den inneren Anspruch daran, für ihren eigenen Körper das beste zu tun, denn in einem kranken Körper kannst du deinen Wohlstand nicht genießen.

Beschränkt ist das ganze aber nicht nur auf den eigenen Körper, sondern auch deine Umgebung. Sieht dein Haus/Apartment aus wie bei einem Messi? Haben die Stühle Kratzer, die Spiegel Flecken oder von vier Glühlampen an der Decke leuchten nur noch zwei?

Wie man die kleinen Dinge im Leben macht, so macht man alle Dinge im Leben

Daher nutzt die Versace Handtasche auf der verkratzen Kommode genauso wenig wie die Rolexuhr in der verstaubten Vitrine oder das neuste iPhone aber mit gebrochenem Display.

Gerade dieser Bereich ist aber ein guter Startpunkt um seinen eigenen Status nach oben zu korrigieren, denn es braucht oft nur geringe Investitionen dafür. Jedoch haben diese kleinen Veränderungen eine große Wirkung auf das eigene Wohlbefinden und Auftreten. Wenn du dir nicht überlegen musst, ob du dich schämen musst einen neuen Bekannten mit nach Hause einzuladen, ist die Chance höher, dass du es auch tust und nicht die sich anbahnende Beziehung künstlich ausbremst.

Verwendung übermäßiger Begriffe oder Preise

Nenne deine 3-Zimmer-Wohnung nicht dein Anwesen und dein Auto + E-Roller nicht deinen Fuhrpark. Gib auch nicht an, der vergoldete Ring aus dem Einkaufszentrum sei echtes Gold und von einem Juwelier. Du kannst damit andere in deiner eigenen Statusschicht täuschen, aber nicht Menschen die wissen, was Dinge kosten.

Auffällig gewählt oder mit Fremdsprachen ausdrücken

Zu zeigen, dass sie „etwas besseres“ sind, nur weil sie ein breiteres Vokabular beherrschen oder mehrere Sprachen sprechen haben Menschen mit echtem Status nicht nötig. So wie du einen Verkäufer erkennst, der möglichst viele „Buzzwords“ aus seinem Training in sein Verkaufsgespräch einbaut, erkennst du auch einen Mitmenschen, der seine Sprache künstlich aufhübscht um durch Eloquenz Status vorzugaukeln. Auch Menschen mit Status sagen einfach „Weiß ich nicht“ im Alltag statt ständig „das entzieht sich meiner Kenntnisnahme“.

An der falschen Stelle sparen

Du kannst dir vom letzten Geld einen neuen Sportwagen leisten, aber hast dann kein Geld ihn vollzutanken sondern fährst lieber drei Mal in der Woche und tankst für 20 Euro? Oder hast du dir beim Starfrisör die Haare machen lassen, aber jetzt kein Geld mehr für die Pflegemittel und kaufst das Schampoo aus dem Discounter?

Diese Dinge merken Menschen mit echtem Status sofort. Aus Höflichkeit wird aber geschwiegen, was uns zum drittletzten Punkt bringt:

Andere auf ihre Schwächen oder ihren niedrigen Status hinweisen oder deswegen schlechter behandeln

Der Unterschied zu Schaumschlägern ist für Menschen mit echter Klasse, dass sie sich nichts auf ihren Status einbilden sondern dafür dankbar sind. Deshalb wird der Kellner im Restaurant oder der Rezeptionsmitarbeiter im Hotel mit Namen angesprochen und sich für den Dienst bedankt, statt sich z.B. später über diese Person abfällig vor anderen zu äußern oder sie ggf. sogar noch vor versammelten Freunden oder Geschäftspartnern zu beleidigen oder zu demütigen. Menschen mit Status merken sich solche Ausfälligkeiten gegenüber anderen und wissen die Person dann direkt einzustufen.

Genau das führt übrigens dazu, dass auch nicht prominente Menschen mit Status in Hotels, Restaurants, etc. wieder erkannt oder namentlich begrüßt werden. Mitarbeiter in diesen Berufen müssen sich viel anhören und bieten lassen, so dass der Mensch mit Status, der sie respektvoll und als „auf gleicher Stufe“ behandelt heraus sticht und im Gedächtnis bleibt.

Keine Manieren

Neben der Behandlung seiner Mitmenschen haben auch allgemeine Manieren einen Einfluss auf den wahrgenommenen Status. Wir alle kennen die Szene aus „Pretty Woman“ in der wir lernen von welcher Seite wir am Tisch das Besteck nehmen. Doch auch andere alltägliche Dinge (wer geht vor, wer hinterher), das Öffnen von Türen (wenngleich auch von manchen jüngeren Leuten als sexistisch betrachtet), Hilfsangebote oder auch einander ausreden lassen und Körpersprache lassen sich zwar mal in einem „Crashkurs Knigge“ lernen, aber nur durch dauernde Nutzung gehen diese in Fleisch und Blut über. Auf dem internationalen Parkett wissen Menschen übrigens auch, das was in einem Land als angemessen gilt in einem andere eine Beleidigung sein kann (so gibt man in Japan z.B. kein Trinkgeld und in den USA redet man mit Geschäftspartnern eher nicht über Religion und Politik).

Namedropping

Du gehst zum gleichen Friseur wie George Clooney, dem gleichen Dönerladen wie Dieter Bohlen oder gehst zum gleichen Massagesalon wie Klaus Schwab? Dann hältst du als Mensch mit Status darüber einfach den Mund. Die Hoffnung, dass etwas von deren Status auf dich abfällt wird leider nicht erfüllt. Denn keiner der drei wird dich kennen und beim nächsten mal auf offener Straße grüßen.

Status kann man lernen doch er bemisst sich nach denjenigen, die das Level an Status bereits erreicht haben um ihn dir zuzugestehen, nicht nach denen von denen du versuchst dich abzusetzen.