In der heutigen Montagsmeinung gehe ich mit der Menschheit, insbesondere der jüngeren Generation, hart ins Gericht. Doch bevor du jetzt sofort „OK Boomer“ rufst und zum nächsten TikTok Feed weiter klickst, nimm dir mal fünf Minuten – ja, das ist bei der heutigen Aufmerksamkeitsspanne eine lange Zeit – und schaue, ob du ich in folgendem Gesellschaftsbild wieder findest. Wenn du es bis zum Ende schaffst, lernst du vielleicht sogar, wie du mit der Verblödung der Menschheit Geld verdienst.

Wir leben in einer Welt, in der Wissen an jeder Ecke verfügbar ist. Ob du Alexa, Siri oder Google Assistant befragst, auf fast jede Frage bekommst du direkt eine Antwort, und wenn diese etwas detaillierter ausfallen soll, hilft auch Wikipedia weiter und vermittelt unfassbar viel Wissen.

Deshalb wird es auch immer weniger notwendig, dass wir uns irgendwelche Fakten merken.

Wann wurde Goethe geboren? Siri kennt die Antwort.

Wie komme ich zum nächsten Baumarkt: Google Maps führt dich hin.

Wo bekomme ich wasserdichte Schnürsenkel: Alexa weiß Bescheid und veranlasst auch gleich die Bestellung.

Alles Dinge, die unser Leben leichter machen und dagegen ist auch nichts einzuwenden.

Das Problem der heutigen Gesellschaft beginnt damit, dass wir uns nicht nur keine Fakten mehr merken wollen, sondern generell immer träger werden, neue Informationen und Fähigkeiten zu erlernen oder aus dem Wissen, dass uns die digitalen Assistenten zusammen getragen haben neue Schlüsse abzuleiten.

Das führt zu den sowohl lustigen, als auch zeitgleich traurigen, Effekten, dass Menschen

  • auf Google Maps schauen und ohne Navigationsanweisungen nicht mehr wissen, in welche Richtung sie laufen bzw. fahren sollen.
  • zwar über 10 Kreditkarten haben, aber keine Ahnung wie unser Finanzsystem funktioniert.
  • sich für die einfachsten alltäglichen Aufgaben professionelle Hilfe holen. („Life“-Coaches, virtuelle Assistenten, etc.)

Nichts von dem alleine ist erst einmal komplett tragisch, doch die Kombination aus kurzer Aufmerksamkeitsspanne, mangelnder Transferleistung und Gutgläubigkeit, dass die Technik oder der Coach es schon richten wird, schafft eine Generation von komplett unselbständigen Individuen.

Damit das nicht wie der klassische Bashing-Artikel auf Coaches, Technologie oder die „dumme Jugend“ klingt, möchte ich direkt klar stellen, dass nicht die Grundidee, dass eine App einem den Weg weist oder ein Coach einem Lebensentscheidungen abnimmt schlecht ist, sondern, dass zum einen die Dosis das Gift macht, und zum anderen die Nutzung von beidem süchtig macht.

Was man vor ein paar Jahrzehnten noch ausschließlich Berater, Lehrer oder Experte nannte und dieser „Beruf“ nur Menschen mit langjähriger Ausbildung vorbehalten war, an deren Ende man eine Prüfung ablegen musste um sich danach eine Urkunde an die Wand hängen zu dürfen, wird heute durch den Begriff „Coach“ komplett verwässert und bagatellisiert.

Sicherlich ist alleine die Änderung des Begriffs noch kein Grund zur Sorge, und ob ich meine Ernährung nun von einem Ernährungsberater oder Nutrition-Coach, meine körperliche Gesundheit von einem Sportlehrer oder einem Fitness-Coach oder mein Vermögen von einem Finanzexperten oder einem Money-Coach optimieren lasse tut nichts zur Sache, solange das Ergebnis eine messbare Qualität aufweist. Denn schon seit der Erfindung der Arbeitsteilung haben sich unterschiedliche Menschen in verschiedenen Fachgebieten spezialisiert. Das war effizienter als zu versuchen, alle zum Universalgelehrten auszubilden.

Wo es aber beginnt schwierig zu werden ist an dem Punkt, an dem Menschen vorgeben Experten in einem Gebiet zu sein, dass so trivial ist, dass es dazu keinem wirklichen Expertenwissen bedarf.

Der Mensch braucht keinen Coach, der ihm täglich hilft die Schuhe zu binden, seine Post zu sortieren oder sich „gut zu fühlen“.

Denn alle diese Aufgaben benötigen kein Expertenwissen in der Form, dass es einer langwierigen Ausbildung bedarf um das umzusetzen. Alle drei Beispiele lassen sich – null Grundwissen vorausgesetzt – innerhalb weniger Stunden erlernen.

Bei einer Aufmerksamkeitsspanne, die mit der einer Fruchtfliege konkurriert, sind natürlich wenige Stunden eine Ewigkeit, und der Lösungsansatz statt Zeit lieber Geld auf ein Problem zu werfen ist verlockend.

Doch Geld auf ein Problem zu werfen und jemand anderen das Problem für einen lösen zu lassen ist oft eine Einstiegsdroge in die noch größere Unselbständigkeit.

Aber nicht nur für triviale Aufgaben nimmt der Bedarf zu. Auch bisherige „Expertenberufe“ wie Ärzte, Psychologen, etc. werden mit zunehmendem Maße mit unnötigen Aufgaben belastet, denn nicht jede Schürfwunde braucht eine Behandlung in der Notaufnahme, nicht jedes laute oder schwer erziehbare Kind hat ADHS und nicht jede schlechte Note löst gleich ein Trauma aus.

Während es noch sinnvoll sein kann, sich von jemandem einmal beibringen zu lassen, wie man denn sicher und ästhetisch seine Schuhe bindet um dies in Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, ist es fatal, sich einen Schuh-Coach zu besorgen, der das jedes Mal für einen übernimmt, oder, noch schlimmer, an der Seite steht und zum Schuhe binden mit „Schakka, du schaffst das“ motiviert.

Natürlich merkst du an diesem absurden Beispiel des Schuh-Coaches auch, dass das (hoffentlich!) niemand so machen würde, doch die Grenze der Trivialität kommt immer näher, und für immer einfachere oder selbstverständlichere Aufgaben kauft man sich dauerhaft Unterstützung ein.

Nicht nur, dass das zur dauerhaften Unselbständigkeit und Abhängigkeit von diesen Dritten verleitet, auch die dadurch entstehenden Ausgaben führen nicht auf den Weg zur finanziellen Freiheit sondern schlimmstenfalls dazu, dass man in die Konsumschuldenfalle tappt, um all diese Coaches bezahlen zu können, und man danach auch noch einen zusätzlichen Money-Coach (früher Schuldnerberater) benötigt, der die Misere wieder aufräumt, und einen Glücks-Coach, damit sich das ganze nicht so schlimm anfühlt.

Nachdem wir jetzt das Problem erkannt haben, kommen wir zum spannenden Teil: Wie kannst du von dieser Verdummung der Menschheit profitieren.

Als erstes in dem du die Grundwahrheit annimmst, dass du auch ohne Siri, Google Maps oder Coach ans Ziel kommst. Klingt schwierig, ist es vielleicht auch, aber es bringt dich sowohl von deinen Fähigkeiten als auch in deinem Mindset weiter. Je häufiger du etwas selbst geschafft hast, desto größer wird dein Selbstvertrauen und die Chance, dass du dir immer größere Aufgaben zutraust.

Das bringt dich schon einen kleinen Schritt vor die Masse der Unselbständigen und gibt dir Gelegenheit, das Verhalten der Masse von außen zu reflektieren. Je mehr du Muster erkennst, nach denen die Masse gelenkt wird, desto einfacher kannst du dir deinen eigenen Weg abseits des ausgetretenen Pfades schaffen.

Als zweites kannst du, sobald du selbst genügend Abstand hast, selbst überlegen, ob und wie du zum Coach werden kannst. Während es durchaus moralisch zweifelhaft sein kann, genau die hier angedeuteten Fehlentwicklungen durch einen weiteren Coach am Markt zu fördern, liegt gerade hier auch die Chance, nachdem du selbst aus der „Matrix“ der Unselbständigkeit aufgewacht bist, anderen verantwortungsvoll zur Selbständigkeit zu helfen.

Final, auch wenn es nicht deinen Fähigkeiten oder Überzeugungen entspricht als Coach unverhältnismäßig viel Geld für triviale Dinge zu nehmen, bleibt dir immer noch das Thema der digitalen Wissensvermittlung. Denn die Menschheit kann nur noch mit Google überleben, und wenn du für das Schuhebinden einen einfachen Onlinekurs oder ein Youtubevideo hast, regnet es Werbeeinnahmen auf dein Konto.