Heute schauen wir uns einmal genauer an, wie man eigentlich zu seinem Steuerwohnsitz kommt oder eben diesen entsprechend vermeidet.

Hierzu stolpert man bei eigener Recherche sehr früh über die sogenannte „183 Tage Regel„, die besagt, dass man dann einen (Steuer-)Wohnsitz in einem Land auslöst, wenn man in einem (Kalender-)Jahr 183 Tage oder mehr in einem bestimmten Land verbringt.

183 Tage deshalb, da man in einem normalen Jahr mit 365 Tagen es (für gewöhnlich) nicht schafft, jeweils 183 Tage in zwei unterschiedlichen Ländern zu verbringen. (Trickreiche Flugplanung, Überquerung der Datumsgrenze und andere Tricks lassen wir hier einmal außen vor).

Leider hören die meisten nach dem Lesen, dieser leicht zu erfassenden Regel auf weiter zu lesen und denken sich, dass sie nur einen Kalender brauchen, und geflissentlich Tage zählen müssen um dem Finanzamt ein Schnippchen zu schlagen.

Doch neben der Zählung der Tage gibt es noch das tückische Konstrukt des Lebensmittelpunkts.

So definieren viele Länder (so auch Deutschland), dass man auch dann einen Steuerwohnsitz auslöst, wenn sich dieser Lebensmittelpunkt oder das Zentrum der persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen im Land befindet, egal wie lange man sich dort aufhält.

In das Thema Lebensmittelpunkt spielen unter anderem folgende Faktoren mit ein:

  • Weiterhin beim Einwohnermeldeamt angemeldet.
  • Ein Ehepartner oder gemeinsame Kinder sind noch im Land gemeldet, arbeiten dort / gehen dort zur Schule oder Universität.
  • Es ist eine ständig zur Verfügung stehende Wohnung vorhanden.
  • Es besteht ein Angestelltenverhältnis mit einem inländischen Unternehmen.
  • Nutzung des Sozial-/Krankenpflegesystems des Landes
  • Mitgliedschaft in Vereinen, Verbänden, Parteien
  • Schwerpunkt der wirtschaftlichen Interessen (nur deutsche Kunden, deutsches Einzelgewerbe, Erbringung der Leistungen vor Ort, etc.)
  • Regelmäßige und/oder längere Aufenthalte. Regelmäßig sagt übrigens nichts über die Länge aus. Selbst alle 2 Wochen am Wochenende einzureisen stellt eine Regelmäßigkeit dar, genauso wie immer im selben Hotel zu wohnen.

Letztlich gibt es keinen festen Katalog für das Thema Lebensmittelpunkt, sondern es ist am Steuerpflichtigen nachzuweisen, dass man eben wenig bis gar keine Bindungen mehr zum Land hat.

Zusammengefasst greift es also bei weitem zu kurz, sich einfach nur beim Einwohnermeldeamt abzumelden und Striche im Kalender zu machen, sondern man muss sich wirklich vom Land lossagen und viele Bindungen abbrechen.

Doch selbst wenn man sich an das Zählen der Tage macht, kann man als Anfänger einige Leichtsinnsfehler machen, vor denen hier kurz gewarnt werden soll:

Ein Tag ist ein Tag, es gibt keine Uhrzeit und keine halben Tage.

Ist man um Mitternacht im Land, zählt bereits der ganze Tag komplett als Anwesenheit.

Man sollte seine Abreise also so planen, dass man – Verspätungen inkludiert – rechtzeitig vorher ausgereist ist, also das Flugzeug rechtzeitig abgehoben bzw. das Schiff rechtzeitig abgelegt hat.

Ein Tag kann für mehrere Länder zählen.

Verlasse ich Deutschland zum Beispiel am 1. April um 10:00 Uhr morgens und lande um 13:00 Uhr in Spanien, zählt dieser Tag sowohl als Anwesenheitstag in Deutschland, als auch in Spanien auf meine 183 Tage im jeweiligen Land. Wo immer möglich ist es also sinnvoll über Nacht zu fliegen, also vor Mitternacht abzuheben und früh am Morgen des nächsten Tages zu landen.

Irrglaube: Bei Reisen über Land im Schengenraum kann das sowieso keiner nachvollziehen

Sicherlich sind die formellen Grenzkontrollen innerhalb Schengen abgeschafft, es gibt also bei einer Fahrt von Deutschland nach Polen keinen Ein-/Ausreisestempel in den Pass mehr, jedoch nutzen viele Länder inzwischen ANPR (Automated Number Plate Reading = Automatische Nummernschilderfassung), z.B. an Mautstellen oder Verkehrskontrollen. Ist man also mit dem eigenen PKW unterwegs ist es sehr einfach zu ermitteln, wann man wohin gefahren ist. Zudem speichern inzwischen Mobilfunkanbieter wann welches Mobiltelefon in welcher Funkzelle angemeldet war. Natürlich gibt es dazu (noch?) keinen automatischen Abgleich mit den Finanzbehörden, doch bei Bedarf wird gerne Amtshilfe geleistet.

Auch im Bereich Flugreisen werden inzwischen alle Flugbewegungen aller Passagiere von und nach Deutschland gespeichert.

Es sind nicht überall 183 Tage

Jedes Land hat seine eigenen Regeln zum Auslösen eines Steuerwohnsitzes, und viele Ländern reichten bereits viel weniger Tage Anwesenheit (oder auch andere Kriterien) um einen zum Steuerbürger zu machen. So reichen in der Schweiz schon 90 Tage, in Frankreich schlicht mehr Tage als in einem anderen Land, in den USA sind nur 31 Tage, in Mexiko reicht es aus, wenn 50% des Einkommens aus Mexiko stammt oder man dort eine Wohnung/Haus ganzjährig mietet, etc. Es gilt also sich gut zu informieren, damit man nicht aus versehen, in einem anderen Land steuerpflichtig wird.

Sonderfälle wie Kreuzfahrtschiffe, Luftraum, Transitbereich etc. 

Die folgenden Sonderfälle dürften dich in den meisten Fällen nicht betreffen, seien aber der Vollständigkeit halber mit aufgeführt um zu zeigen, dass das Thema nicht trivial ist.

Wenn du von Deutschland aus eine Kreuzfahrt mit einem Schiff mit deutscher Flagge machst und zu einem deutschen Hafen zurückkehrst, so können diese Tage mitzählen, da das Kreuzfahrtschiff als „deutscher Boden“ zählt.

Die „Ausreise“ in den non-Schengen Bereich eines EU Flughafens zählt noch nicht als verlassen des Landes aus steuerlicher Sicht (wohl aber aus Einwanderungssicht für Visa-Inhaber). Gehst du also abends um 22:00 Uhr schon in den Transitbereich, fliegst aber erst um 00:30 Uhr ab, hast du leider keinen Tag herausgetrickst.

Gleiches gilt (an EU/EEA Flughäfen), wenn du z.B. um 23:00 landest um dann erst um 00:30 einzureisen um einen Tag zu sparen. Auf non-EU Flughäfen, auf denen du einen Einreisestempel bekommst ist dies jedoch möglich. Hier solltest du nur aufpassen, dass dir die Schalter nicht nachts zu machen und du im Transitbereich bis Sonnenaufgang fest sitzt.

Manche Länder (z.B. USA) zählen den Luftraum mit zum steuerlichen Aufenthalt. Dort reicht es also steuerlich (wohl aber aus Einwanderungssicht für das I-94) nicht einmal, dass das Flugzeug rechtzeitig abgehoben hat, sondern es muss den Luftraum des Landes rechtzeitig verlassen haben.

Abschließend soll gesagt sein, dass das Thema Steuerwohnsitz zwar seine Tücken hat, für einen großen Teil der auswandernden Bevölkerung aber stressfrei ist, da es sich für die Finanzbehörden in der Regel nicht lohnt auf kleine und mittelständische ortsunabhängige Unternehmer große Recherchen oder Prüfungen anzusetzen, da deren Kosten in keinem Verhältnis zu den potenziell entgangenen Steuereinnahmen stehen würden.

Ab einem gewissen Steuervolumen (oder aber auch nach einem Tipp eines Konkurrenten oder netten Nachbarn) kann natürlich einiges an Aktivitäten ausgerollt werden, was dann bis zur Zahnbürstensuche (Boris Becker), Beobachtung des Privatflugzeugs ob dieses vor oder nach Mitternacht abhebt, etc. reichen kann.

Wenn du Hilfe benötigst, deinen (Steuer-)Wohnsitz für dich optimal zu planen, melde dich gerne zu einer persönlichen Beratung an.