Digitale ID kommt.
Das wusste schon die Bibel.
Die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und die Sklaven, alle zwang es, auf ihrer rechten Hand oder ihrer Stirn ein Kennzeichen anzubringen. Kaufen oder verkaufen konnte nur, wer das Kennzeichen trug.
(Offenbarung Kap 13, 16-17)
Aber auch ganz ohne religiöse Vorhersage stehen die Zeichen sehr deutlich danach, dass uns allen demnächst die digitale Identität (DID) ins Haus steht.
Doch damit wir für den Rahmen dieses Artikels von den gleichen Dingen sprechen, definieren wir DID wie folgt:
Digitale ID ist der Nachweis, dass Du auch wirklich Du bist und damit eine digitale Version deiner aktuellen physischen ID (Reisepass, Ausweis, Führerschein, Krankenkassenkarte,…) und du gewisse Rechte und Möglichkeiten durch diese ID hast (Reisen, Fahren, Gesundheitssystem nutzen,…)
Eine physische ID wird dir (meist) von Regierungen ausgestellt, die dazu individuelle Merkmale nutzen, die dich von anderen unterscheiden, z.B. Aussehen, Fingerabdruck, Irisbeschaffenheit, Handvenenlage, usw. Das nennen wir ab jetzt Biometrie oder biometrische Daten.
Im Vergleich zu einer physischen ID, die z.B. in deinem Geldbeutel, deiner Handtasche oder der Nachttischschublade liegt, ist die DID elektronisch gespeichert und zwar in der Regel auf Computern ebendieser Behörden. Zwar wirst du zur Identifikation vielleicht manchmal dein Smartphone, deinen Computer oder ein anderes technisches Gerät benutzen, doch dieses selbst ist nicht deine DID.
Dieser kleine Unterschied sorgt dafür, dass DID sehr zentralisiert sind und sich daher sehr einfach deine Daten (und Berechtigungen) zentral verändern lassen.
Ein konkretes Beispiel:
Wenn du mit deinem Auto zu schnell fährst, muss dich bei einer physischen ID erst einmal ein Polizeiauto anhalten, deinen Führerschein nehmen, prüfen und ggf. einziehen.
Bei einer DID würde es reichen, wenn dich eine Verkehrskamera anhand deine gespeicherten biometrischen Daten identifiziert. Daraufhin könnte ein einfaches Computerprogramm, dass die Straßenverkehrsordnung abbildet dir deinen Führerschein einfach digital als „ungültig“ markieren. Beim nächsten Login in deine Smartphone App wird dieser dann einfach nicht mehr angezeigt und z.B. das Mieten eines Autos am Schalter scheitert.
So weit sind wir noch nicht? Nun, die automatische Sperrung gibt es in westlichen Ländern noch nicht, aber z.B. in Österreich kann man sich bereits eine App laden und den Führerschein digital vorzeigen (via QR Code).
Wenn man einmal die Funktionsweise von DID begriffen hat, wird klar, dass sich diese Technologie früher oder später mit allem Möglichen verbinden wird: Ausweis (gegenüber der Polizei oder auch zum Zigaretten oder Alkohol kaufen), Wahlberechtigung, Flüge buchen (Visa), Bankkonten (KYC), Steuererklärung, digitales Grundbuch, Internetnutzung und Social Media Profile, usw.
Der Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Technologie flächendeckend ist.
Während der Pandemie 2021/2022 wurde bereits eine andere DID „getestet“, Nachweise für Schutzimpfungen oder medizinische Testergebnisse. Auch wenn hier die Konsequenzen nicht automatisiert waren, wird jedoch ersichtlich, wie schnell solche digitalen Systeme einsatzbereit sein können.
Flächendeckend? Frage der Zeit?
Ja, nahezu alle Länder der Welt arbeiten an diesem Thema, und zwar zentral gesteuert von den Vereinten Nationen (UN) in ihren sogenannten „sustainable development goals„, die bis 2030 vorsehen, dass jeder Mensch bis dahin die Möglichkeit haben soll, eine (digitale) Identität zu haben.
Welche Interessen stecken dahinter?
Generell unterscheiden wir hier die Interessen der Privatwirtschaft und die von Staaten und Regierungen.
Für erstere ist hier hauptsächlich der Vorteil von vereinfachter Teilhabe am Wirtschaftskreislauf zu nennen, denn wer sich klar ausweisen und identifizieren kann, kann individuell mit Marketing bombardiert werden. Über eine API (öffentliche Schnittstelle) könnte z.B. ein DID Besitzer seine Einkaufsgewohnheiten seiner Person zuordnen lassen, wenn er dafür Rabattpunkte bekommt.
Für letztere geht es natürlich um Sicherheit und Kontrolle. Kriminalitätsbekämpfung wird einfacher, wenn gesuchte (vermeintliche) Straftäter nicht mehr Auto fahren, fliegen oder Bankkonten eröffnen können.
Und natürlich ist DID ein notwendiges System für die in vielen Ländern in den Startlöchern stehenden CBDC (Central Bank Digital Currencies). Denn es sollte ja klar definiert werden können, wer der richtige Besitzer eines CBDC Wallets ist um Dinge wie Geldwäsche zu vermeiden, oder – in Staaten mit stärkeren Einschränkungen – genau zuordnen zu können, wer denn nun im Geschäft was genau kaufen darf.
Weltweite Vereinheitlichung
Solange jedes Land an seinem eigenen DID System arbeitet, wird es noch genug Potenziale geben das zu umgehen.
Ja, aber…
Da gibt es die FATF (Financial Action Task Force) eine Art internationale Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsvermeidungsbehörde.
Diese Organisation strebt nach der weltweiten Vereinheitlichung der DID Standards, und sie hat – durch sanften oder weniger sanften Druck ein Land auf eine Liste von „Schurkenstaaten“ zu setzen – überzeugende Argumente sich darum zu kümmern.
Denn wenn die DID der lokalen Bevölkerung nicht international abgeglichen werden kann, werden so auf einmal Überweisungen nicht mehr ausgeführt oder unter Generalverdacht gestellt.
Ein Nebeneffekt hierbei könnte sein, dass alle Wallets bei Cryptobörsen mit einer DID verknüpft werden müssen (wegen der bösen Geldwäsche), was dann die Anonymität oder Pseudonymität ad absurdum führen würde.
Technisch hilt hier vielen Ländern übrigens die Digital Identity Foundation.
Ok, bis 2030 ist ja noch lange Zeit…
Ja, aber…
In vielen Ländern sind wir schon so weit, dass wir vielleicht nicht so lange warten müssen.
EU
Die EU arbeitet bereits seit einigen Jahren an einem blockweiten DID System, dass z.B. im Pilot schon jetzt für die Registrierung von Simkarten in Österreich, Frankreich, Deutschland, Portugal, Slowenien und der Ukraine eingesetzt wird, sowie für die Eröffnung von Bankkonten in Österreich, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Luxembourg, Portugal, Slowenien und der Ukraine, und für das bereits angesprochene Thema Führerschein in noch mehr Mitgliedsstaaten.
Der „Pilot“ endet 2025, so dass man hier davon ausgehen kann, dass zeitnah der Regelbetrieb folgt und weitere DID Services hinzukommen.
Ebenso kommt die europäische DID wohl mit einem CBDC Wallet.
Türkei
Auch hier ist man weiter als man denkt, und das DID System soll mit einer CBDC verknüpft werden.
USA
Dank des Föderalismus ist das Thema DID hier etwas zerstückelt und mehr in privater Hand, aber durchaus technologisch bereits sehr weit.
Man kann hier z.B. in einigen Bundesstaaten schon seinen Führerschein (wird dort als Ausweis genutzt) in die App von Apple Wallet, American Airlines oder Delta Airlines laden und damit die Flughafenkontrolle passieren, bei der Einreise gibt es das biometrische Global Entry System, bei dem Vielreisende einfach nur noch ein Foto von sich machen und dann den Grenzposten passieren, im Kongress „schlummert“ seit einiger Zeit ein Gesetz, dass endlich statt der völlig unsicheren Social Security Number eine „ordentliche digitale ID“ verwendet werden soll, und das US Finanzamt IRS ist eine Partnerschaft mit dem Unternehmen ID.me eingegangen um alle Steuerzahler zu digitalisieren, die deren Onlinedienste nutzen wollen.
Im bereits beschriebenen Thema Führerschein, lassen sich in Arizona, Maryland und Colorado Führerscheine bereits in ein Apple Wallet speichern, Connecticut, Georgia, Hawaii, Iowa, Kentucky, Mississippi, Ohio, Oklahoma und Utah sowie das Territorium Puerto Rico arbeiten an der Umsetzung.
Selbst beim Fliegen gibt es in den USA bereits DID. Hier hat z.B. Delta Airlines Kameras am Boarding Gate und statt seinen Ausweis und die Bordkarte zu zeigen, muss man nur kurz in die Kamera schauen. Das System gleicht das Foto mit der Datenbank der Immigrationsbehörde ab, boarded den Passagier und informiert die Behörde über den pünktlichen Abflug innerhalb der Gültigkeitsdauer des Visums.
Mexiko
Hat sich vor einiger Zeit 225 Millionen US Dollar bei der Weltbank besorgt, um sein digitales ID System aufzubauen, und seit 2021 mit dem Projekt CUID auf dem Weg eine komplette DID Datenbank zu schaffen. Derzeit sind wohl nur noch 3% der nationalen Bevölkerung ohne CUID Eintrag. Auf dem Weg zur Akzeptanz hilft, dass seit 2022 jeder Bewohner Mexikos eine RFC (Steuernummer) besitzen muss und bei dieser Gelegenheit auch wohl direkt die biometrischen Daten erhoben werden.
Thailand
Hat seit Januar 2023 den Pilot gestartet, DID via mobiler App auszustellen. Dieser Pilot läuft noch bis 2024, bis das dann in den Regelbetrieb gehen soll.
Doch welche Vor- und Nachteile hat DID denn jetzt für freiheitsliebende Unternehmer?
Vorteile
Nie mehr unterwegs den Reisepass/Führerschein/Kreditkarte/Telefon… verlieren
Ist die eigene DID erst einmal erstellt, kann man entspannt reisen, ohne dauerhaft hoffen zu müssen, dass diese Dokumente oder Gegenstände abhanden kommen.
Selbst wenn einmal das Telefon als „Träger“ der DID abhanden kommt, ist dies ohne die eigene Biometrie wertlos und sobald man ein neues Endgerät besitzt, ist man wieder im Besitz seiner ID. Doch auch ohne Endgerät kann man immer noch Flugzeuge besteigen oder im Krankenhaus dank Fingerabdruck oder Augenscan seinen Versicherungsschutz beweisen.
Kaum noch Identitätsdiebstahl
Gefälschte Ausweise, Stromrechnungen und der Klau der Kreditkarte etc. gehören der Vergangenheit an, und damit die Chance, dass sich jemand anderes die eigene Identität für unliebsame Zwecke ausleiht.
(Weltweite) Personalisierung
Im Flugzeug immer vegetarisches Essen und Fensterplatz? Im Hotel immer ein Zimmer nahe am Aufzug und kein Zimmerservice? Im Supermarkt einfach die Produkte scannen und gehen (und an das, was man vergessen haben könnte erinnert werden)?
Das alles dürfte DID vereinfachen, da man an die eigene DID wohl immer mehr personalisierte Services „andocken“ können wird. Die Frage „Haben Sie eine Payback Karte?“ dürfte genauso entfallen wie „Chicken or Beef“ im Flugzeug.
Notartermine entfallen
Nur um eine Unterschrift zu machen in eine andere Stadt oder gar ein anderes Land reisen. Auch das fällt mit DID weg. Wenn die Technologie erst einmal so weit ist, dürften Firmengründungen, Immobilientransaktionen und auch Dinge wie Testamente einfach digital funktionieren.
Nachteile
Datensammlung
So schön wie die Personalisierung ist, so riskant sind auch all die individuell gesammelten Daten und deren Verwendung. Im Verbindung mit einem Social Credit System, dürften unliebsame Verhaltensweisen zwar durchaus noch erlaubt, aber mit entsprechenden Sanktionen geahndet werden. Wer z.B. zu viel Schokolade kauft könnte sich über einen höheren Beitrag zur Krankenversicherung freuen.
Sperrung aus der Ferne
Zuhause die Steuererklärung nicht abgegeben oder falsch geparkt? Schon kann es sein, dass der Reisepass gesperrt oder der Führerschein nicht mehr aufrufbar ist, bis das Bußgeld bezahlt ist (wenn es nicht sowieso dank smart contract automatisch abgebucht werden konnte). Während man die Einhaltung von Gesetzen mit solchen Methoden ggf. noch für gut halten könnte, kann es hier aber fatal sein, wenn man durch eine Verwechslung in solch ein Verfahren gerät. Bis man dies dann mühsam korrigiert hat, sitzt man schlimmstenfalls am anderen Ende der Welt ohne Ausweis und Geld fest.
Kein „double dipping“
Double dipping beschreibt den Vorgang, dass man sich in mehreren Ländern gewisse Vorzüge zu nutze macht, die einem vielleicht nur im einen oder anderen Land zustehen. Das sind vielleicht Steuerfreibeträge oder Subventionen. Double dipping ist möglich, weil Länder einfach gewisse Informationen nicht austauschen oder ein und die selbe Person unter unterschiedlichen „Nummern“ führen. So wird ein Ausländer in Spanien z.B. mit seiner NIE identifiziert, in Lettland hat er eine NIN, in Mexiko eine CURP und in Japan eine 個人番号). Es gibt jedoch kein Verfahren, in dem diese Nummer derzeit in einer globalen Datenbank vereint sind, und daher kein Abgleich möglich ist, wer welche Services wo nutzt. DID würde direkt verhindern, wenn jemand z.B. Sozialbeiträge aus mehreren Ländern kassiert, oder unberechtigt Doppelbesteuerungsabkommen nutzt.
Kein Leben außerhalb des Systems
Wer keine DID hat wird irgendwann wohl nur noch wenige oder gar keine Dienstleistungen des täglichen Lebens nutzen können und ohne sie vielleicht nicht einmal mehr das Land kaufen können um darauf ein Leben als Selbstversorger zu führen. Auch dürfte das Leben als „Perpetual Traveler“ (Dauerreisender ohne festen Steuerwohnsitz) schwierig werden, da DID vermutlich nicht vorsieht, hier keinerlei Zuordnung zu treffen.
Was kann man tun?
Die Einführung von DID werden wir wohl kaum verhindern können. Je nachdem wie gut sich die Regierungen der Welt hier anstellen und wie viel Hilfe sie von privaten Organisationen haben geht das ganze aber vielleicht schneller und langsamer.
Da durch DID vieles transparenter wird, sollte man schon jetzt aber die Weichen stellen, dass in dem Moment, indem DID unausweichlich wird, das persönliche Setup so sauber ist, dass man nicht direkt in den Fokus der Behörden gerät.
Setups die auf „wer kontrolliert das?“ und „wird schon keiner mitbekommen“ werden hier der Vergangenheit angehören. Doch sicherlich wird es auf absehbare Zeit immer genug legale Möglichkeiten geben die persönliche Situation nach den eigenen Wünschen aufzustellen, denn nur durch DID werden nicht sofort ganze Verfassungen und soziale Normen umgeschrieben. Das kann zwar langfristig nicht auszuschließen sein, aber liegt außerhalb des Bereichs, den sich dieser Artikel traut vorherzusagen.
„Zu spät“ ist es, wenn man bereits eine DID hat und dann noch auf einmal „schwarze Kassen“ versucht zu legalisieren oder eine „Offshorebude“ loszuwerden.
Ob man sich einen Gefallen tut, bis zum letzten Tag zu warten, bis man sich seine DID besorgt oder besser dran ist einer der Vorreiter der Technologie zu sein ist schwer abzuschätzen und wahrscheinlich auch abhängig vom eigenen Glauben an die Vorteile oder Nachteile dieser Technologie. Auf jeden Fall dürfte „den Kopf in den Sand stecken“ keine valide Option sein.
Eine gute Quelle um über dieses Thema informiert zu bleiben ist übrigens die Seite Biometric Update, die – trotz Brisanz des Themas – recht neutral berichtet.
Wie du dein persönliches Setup an die technologische Zukunft mit DID, CBDC und ggf. noch anderen apokalyptischen Reitern anpasst erfährst du in einer persönlichen Beratung.