In der heutigen Ausgabe der Montagsmeinung reden wir einmal über die größten Buzzwords im Digital Nomad Bullshit Bingo (DNBB).
Wenn du dir beim nächsten Meeting im CoWorking Space oder auf der Workation einen Spaß machen willst, drucke dir die folgende Grafik aus, und markiere bei einem Speaker oder Meeting die einzelnen Worte, bis du „Bingo“ rufen kannst.
Doch warum nenne ich das ganze eigentlich Bullshit Bingo?
Nun, seitdem die Digitale Nomaden „Szene“ fahrt aufgenommen hat, wird zum einen großartiges geleistet, indem sich ortsunabhängige Unternehmer überall auf der Welt vernetzten, doch es wird auch viel mit den Träumen der Menschen rund um das Thema „Arbeiten wo andere Urlaub machen“ gespielt, und Kasse gemacht.
Daher will Lifestyle Solutions heute einmal einen realistischeren Blick auf die Szene werfen, gute Dinge loben aber auch Kritik an einigen Praktiken üben.
Manche Dinge nehme ich im Folgenden bewusst überspitzt aufs Korn, sei also nicht gleich getriggert. Und wenn doch: In allem was triggert steckt ein Funken Wahrheit. Genug der Vorrede.
Beginnen wir oben links mit Chiang Mai.
Sobald man sich auch nur oberflächlich mit dem Thema Digitale Nomaden beschäftigt, kommt man um den Begriff Chiang Mai nicht herum. Dies ist einer der Hotspots, an denen jeder angehende Digitale Nomade, der etwas auf sich hält, auf jeden Fall blicken lassen muss, um sich mit anderen (angehenden) Digitalen Nomaden zu vernetzen und natürlich jede Menge Fotos für Instagram mit dem Laptop am Strand, am Pool oder in der Hängematte zu machen.
Das führt dazu, dass sich dort auch inzwischen ganz viele Nomaden darauf spezialisiert haben, diesen Neulingen als Coaches ihren ultimativen Onlinekurs, wie man denn Digitaler Nomade wird sowie spätere Coachingstunden zum Mondpreis zu verkaufen.
Während es sicherlich eine gute Idee ist, sich mit anderen ortsunabhängigen Unternehmern zu vernetzen, sollte man gerade als Neuling in der Branche Vorsicht walten lassen, und nicht gleich die komplette Reisekasse in ein Coaching investieren.
Machen wir weiter mit dem CoWorking Space:
Ein Digitaler Nomade, der etwas auf sich hält, arbeitet entweder in Chiang Mai / auf Bali am Strand oder in der Hängematte, oder – wenn er gerade wieder einmal einen Visa-Run macht, in einem CoWorking Space.
Während die grundlegende Idee des CoWorking Space nicht verkehrt ist, um in einer Art halb-öffentlichen Büro seiner Arbeit nachzugehen und Zugriff auf stabiles Internet zu haben, lauert auch hier wieder Gefahr der Onlinekurs verkaufenden Coaches, aber noch viel mehr die der Ablenkung und dem gefangen werden im Sales-Funnel der anderen. CoWorking Spaces sind eher die weltweiten Orte der Community um sich sehen zu lassen (sehen und gesehen werden). Für wirklich konzentriertes Arbeiten nutzt man die Hotellobby oder den Küchentisch im AirBnB.
Mit genau diesem AirBnB machen wir auch gleich weiter.
Hotel ist heutzutage eher out, ein stilvolles AirBnB entweder im Altbau oder ArtDeco Gebäude einer Großstadt oder als schlichtes Quartier auf Level der Einheimischen in dem Land, in dem man gerade weilt muss es sein.
Am besten mietet man das AirBnB zusammen mit anderen Digitalen Nomaden, die man in Chiang Mai, auf Bali, dem CoWorking Space oder der letzten Workation kennen gelernt hat. Damit hat man auch den letzten Rückzugsort um in Ruhe zu Arbeiten verloren, hat dafür aber Zeit jeden Morgen gemeinsam Yoga zu machen oder vegan zu kochen. Nebenher zeigt man sich gegenseitig seine aktuellen Blogs.
Das Blog ist neben Social Media das Zentrum der Selbstdarstellung des Digitalen Nomaden. Darüber werden Kunden in den Funnel gelockt, Freebies verteilt und Onlinekurse verkauft. Nebenher erklärt man dem Besucher noch schnell, dass man nur mit Handgepäck reist, dass wir alle raus aus den 9 to 5 müssen und es dazu auch in Kürze ein E-Book gibt, dass das alles erklärt.
Das Freebie ist mit der wichtigste Teil des Blogs, denn damit entlockt man dem Besucher das zweitwertvollste nach seinen Kreditkartendaten,was er hat: Seine Emailadresse. Dafür, dass er sich in den Newsletter einträgt, der ihm regelmäßig noch mehr Werbung für Coachings, E-Books und Onlinekurse ins Postfach schickt, bekommt er ein kleines Paket an Gratisinformationen, die er mit etwas Glück auch bei Google hätte finden können. Das nennt man Sales-Funnel.
Nach dem Freebie kauft der neugewonnene Kunde meist das E-Book.
Im E-Book werden oft einfach nur die gleichen Informationen, die quer über den Blog verteilt sind noch einmal in strukturierter Form aufbereitet verkauft. An allen Stellen, wo man ins Detail gehen könnte verweist man dann auf den Onlinekurs, der das noch viel genauer erklärt oder natürlich das Coaching, dass alle Fragen dieser Welt beantwortet, Probleme löst. etc.
Social Media ist mit der wichtigste Weg, um neue Kunden in den Funnel zu bringen. Dort postet man nicht nur die tollen Laptop Bilder aus Chiang Mai, sondern eröffnet auch seine eigene geheime Mastermind Gruppe, in der man wieder brav seinen Sales Funnel füllt. Natürlich sind wir auf Social Media alle eine große Community und hauen jede Menge Freebies in den Markt.
Bisher klingt das alles nur nach Business, doch wir machen das ja nicht um Geld zu verdienen, sondern weil wir einen Impact in der Welt hinterlassen wollen, etwas, dass größer ist, als wir selbst, etwas dass Mehrwert schafft für unsere Community und die Welt. Deshalb fotografieren wir uns zusammen mit denjenigen in der Welt, denen es nicht so gut geht, zeigen uns bei Charity Aktionen und richten einen Facebook Fundraiser zu unserem Geburtstag ein.
Wenn uns die Arbeit im AirBnB und CoWorking Space nicht ausreicht, weil wir in einer Woche unser Business auf das nächste Level heben wollen, suchen wir uns zusammen mit unser Community ein schönes Ziel mit Strand, Meer, einer Hütte mit WiFi/WLAN und verbringen eine Woche abwechselnd damit uns gegenseitig zu helfen unser Blog und unseren Sales Funnel zu optimieren, gemeinsam zu surfen und Yoga zu praktizieren oder vegan zu kochen.
Einige wenige, die das Coaching noch nicht als Business für sich entdeckt haben, versuchen sich – ganz ohne Impact – an Amazon FBA. Dabei verdient man kurz gesagt damit sein Geld, dass man in China von unterbezahlten Fabrikarbeitern billige Produkte produzieren und mit einer kathastrophalen Ökobilanz per Frachtschiff direkt ins europäische Warenlager von Amazon liefern lässt um sie da zu überhöhten Preisen an Prime Kunden zu verkaufen. Inzwischen ist der Trend von Amazon FBA etwas abgeebbt und AirBnB, Landwirtschaftsinvestments und natürlich passives Einkommen liegen mehr im Trend. Das hindert aber nicht daran, dass man selbst noch ein paar Onlinekurse zum Thema verkauft, bis der tausendste Käufer merkt, dass sich mit dem Import von Duschköpfen oder Sofakissen kein Geld mehr verdienen lässt.
Was Digitale Nomaden machen, soll natürlich nicht nur einen Impact haben, und man soll nicht einfach etwas wegen des Geldes machen, sondern seiner Passion folgen.
Diese Idee ist natürlich erst einmal vollkommen richtig, denn wenn du etwas machst, dass du liebst musst du nie wieder arbeiten, so das alte Sprichwort im Volksmund. Da aber die meisten von uns nicht morgens unter der Dusche auf einmal „Aha!“ rufen und ihre Passion gefunden haben, gibt es auch rund um dieses Thema wieder ganz viele Coachings.
Wann immer du in einem Coaching oder auf Social Media die Worte Passives Einkommen hörst oder liest, solltest du alle vorhandenen Schutzschilde hochfahren. Denn während ein seriöses passives Einkommen über die Anlage in Aktien, ETFs, P2P Krediten, Landwirtschaftsinvestments, etc. sogar zu empfehlen ist, geht es in einem Großteil dieser Angebote entweder um Multi-Level-Marketing, Bitocoins, Timeshares oder ähnliche Funnel, bei denen in den meisten Fällen nur derjenige etwas verdient, der dir das verkaufen will.
Bali ist die Alternative zu Chiang Mai, an die der Digitale Nomade einmal reist, wenn er Abwechslung braucht oder den anderen Teil der Community wieder treffen will. Auch auf Bali findest du wieder die üblichen Verdächtigen. Ich spare mir die Details. Vielleicht wirst du aber auf Bali oder in Chiang Mai vom Motorroller geworfen und machst dir zum ersten Mal Gedanken um das Thema Krankenversicherung.
Wenn es etwas gibt, dass Digitale Nomaden tun um zu entspannen, dann ist das Yoga. Auch davon finden sich dann zahlreiche Bilder auf Social Media, insbesondere Instagram. Natürlich macht der Digitale Nomade Yoga nicht alleine, sondern zusammen mit seiner Community entweder auf einer Workation oder einem Retreat in Bali um dem 9 to 5 zu entfliehen.
Vegan ist die bevorzugte Cuisine vieler Digitaler Nomaden. Das ist selbst natürlich erst einmal positiv zu bewerten, da es einen guten Impact auf unseren Planeten hat, doch führt es zu ganz vielen Fotos von diversen Menüs in den Sozialen Medien, damit ja auch die gesamte Community davon erfährt. Wer stattdessen ein gut durch gebratenes Steak teilt, stellt sich auf die gleiche ökologische Stufe wie der Amazon FBA Nomade.
Natürlich reist der Digitale Nomade von heute nur noch mit Handgepäck, bevorzugt mit einem Rucksack, obwohl er natürlich nicht mit den ganzen Weltreisenden oder Backpackern in einen Topf geworfen werden möchte, sondern die Community der Digitalen Nomaden streng davon abgrenzt. Auf seinem Blog veröffentlicht der Digitale Nomade bereitwillig die Packliste seines Handgepäcks, natürlich mit Affiliate Links zu Amazon.
Spätestens jetzt fällt dir übrigens auf, dass in dem Bild zwei Mal das Wort Chiang Mai auftaucht. Das ist beabsichtigt, da es ein so hohen Stellenwert in der Community einnimmt, dass du gleich zwei Bingo Kreuze machen darfst.
Ohne Sales Funnel kann der Digitale Nomade kein Geld verdienen. Egal ob der zahlungskräftige Kunden für seine Amazon FBA Produkte, seinen Onlinekurs oder sein Coaching sucht, der Funnel findet sie alle und lässt das aktive und passive Einkommen sprießen.
9 to 5 (das Arbeiten zu normalen Bürozeiten) ist vom Digitalen Nomaden so verpönt, wie das Weihwasser vom Teufel. Der Digitale Nomade hat natürlich die Bibel von Tim Ferriss (Die vier Stunden Woche) gelesen und optimiert sein komplettes Business, in dem der unliebsame Aufgaben an virtuelle Assistenten auslagert, nachdem er vielleicht selbst zu Beginn seiner Karriere als Digitaler Nomade selbst als Virtueller Assistent gearbeitet hat. Über beide Phasen berichtet er natürlich in seinem Blog.
Coaching ist die größte Gelddruckmaschine im Kosmos der Digitalen Nomaden. Gefühlt verdienden 50% der Digitalen Nomaden damit ihr Geld, in dem sie den anderen 50% der Community erklären, wie man mit einem Coachingbusiness Geld verdient. Dabei werden immer drei Pakete angeboten, von denen das dritte maßlos überteuert ist, so dass man immer noch das mittlere (ebenfalls überteuerte) kauft, damit man später nicht denkt, man hätte nicht genug investiert.
Virtuelle Assistenz ist sowohl die Einstiegsdroge ins Leben als Digitaler Nomade, da das benötigte Wissen gering und die Nachfrage groß ist. So mancher Digitaler Nomade verbringt unglückliche Stunden in der Hängematte auf Bali, in denen er mit dem Laptop riesige Excellisten korrigiert oder Texte übersetzt. Nichts anderes als er vorher im 9 to 5 schon gemacht hat, nur jetzt mit blendender Sonne und Sand in der Tastatur.
Die Community ist das, was dem Digitalen Nomaden die Einsamkeit nimmt. Deshalb vernetzt er sich wann und wo er kann auf Workations, Events, in CoWorking Spaces, auf Bali beim Yoga oder in Chiang Mai. Immer mit der Maßgabe, nebenher noch ein paar Coachings oder Ebooks zu verkaufen.
Ohne WiFi bzw. WLAN ist der Digitale Nomade aufgeschmissen, denn ohne das kann er (außer er hat Google Fi) keine Hängemattenfotos auf Social Media posten, Newsletter für den Funnel raushauen, Blogartikel schreiben oder sein AirBnB buchen. Deshalb ist die Frage nach guten WiFi Hotspots fast so häufig wie die nach der richtigen Krankenversicherung.
Wenn es eine never ending Story in der Community der Digitalen Nomaden gibt, ist es die, wie andere das Thema mit der Krankenversicherung gelöst haben. Am Ende läuft es auf eine Debatte über das angemeldet bleiben in Deutschland, das Risiko einzugehen keine zu haben und die Angst von der Versicherung gekündigt zu werden hinaus.
Das Thema Krankenversicherung ist übrigens eines der wenigen, zu denen es noch nicht von E-Books, Onlinekursen oder Coachings im Netz wimmelt. Vielleicht macht das Thema einfach nicht genug Impact und mit genug Yoga und veganer Ernährung bleiben wir alle auch Gesund und folgen unserer Passion.
Na, wie oft hast du geschmunzelt und dich wieder erkannt?