In den vergangenen Jahrhunderten waren es hauptsächlich Zäune, Mauern und (Waffen-)Gewalt, die Menschen die Grenzen ihrer Freiheit zeigten. Dabei unterscheidet sich auch erst einmal nicht, wer die Mauer baut oder wer die (Waffen-)Gewalt inne hat, sei es ein demokratischer Staat, ein diktatorisches System oder eine private Miliz.

Allein die Art der Gewaltanwendung unterscheidet sich in ein paar Feinheiten, führ aber zum gleichen Ergebnis. So erlassen demokratische aber auch diktatorische Staaten Gesetze, deren Verstöße zu einer Bedrohung mit einer Waffe führen können während private Milizen eher willkürlich zum persönlichen Vorteil agieren. Doch gleich wer die Waffen(-Gewalt) in der Hand hält, das Ergebnis ist das gleiche: Wer den Lauf der Waffe auf sich gerichtet spürt, gibt zur Rettung seines Lebens (etwas) Freiheit auf und fügt sich den Anweisungen.

Dieses Art der Begrenzung der Freiheit wird aber zunehmend – zumindest in sich selbst als freiheitliche Gesellschaften bezeichnenden Ländern – unpopulär.

Zwar behalten sich diese Gesellschaften die Waffengewalt trotzdem als Ultima Ratio vor, doch werden viel mehr subtilere Wege eingeschlagen, um die Mitglieder der Gesellschaft dazu zu bewegen, sich den aufgestellten Regeln zu unterwerfen.

Hierbei spielen immer stärker die digitalen Medien eine entscheidende Rolle.

Während bisher Staaten bzw. Gesellschaften auf die lineare Verbreitung ihrer Nachrichten (und Ideologie) angewiesen waren, z.B. durch staatliche oder regierungsnahe Radio- oder TV Sender oder auch Zeitungen, die den Nachteil hatten dass exakt die gleiche Nachricht an alle Mitglieder der Bevölkerung ausgeliefert wird, können diese jetzt über digitale Medien unterschiedliche Zielgruppen oder gar einzelne Personen mit auf sie persönlich abgestimmten Nachrichten und Botschaften versorgen.

Was in der freien Wirtschaft schon lange als zielgruppenorientierte Werbung bekannt ist und genutzt wird, findet immer mehr Einzug in Politik und Machtstrukturen.

Die hierfür genutzten Kanäle, wie z.B. Plattformen sozialer Medien, werden in den meisten Ländern (noch) durch Teilnehmer der Privatwirtschaft betrieben, was erst einmal ein größeres Vertrauen schaffen soll, jedoch bieten sich – abseits der verdeckten Zusammenarbeit – schon allein in der Technik dieser Plattformen genug Möglichkeiten zur Beeinflussung verschiedener Gruppen, da sich auf diesen Plattformen ganz von selbst durch die Angabe von Interessen der Nutzer sogenannte Filterblasen bilden. Diesen unterschiedliche Filterblasen kann eine Regierung nun die auf sie zugeschnittenen Informationen zukommen lassen. Während zu grob von der gefühlten Realität abweichende Informationen in der Regel als Fake News von den Mitgliedern der Filterblasen ausgeblendet oder ignoriert werden, sind subtilere Abweichungen eher erfolgreich.

Eine der größten digitalen Waffen ist hierbei die subtile Verschiebung von Mehrheiten. So kann einer (kritischen) Gruppe, die in der realen Welt vielleicht fast die Hälfte der Bevölkerung umfasst immer wieder aufgezeigt werden, dass diese eine verschwindend kleine Minderheit ist, was dazu führt, dass sich viele Anhänger dieser Minderheit von ihr abwenden, da sie der Bewegung keine Erfolgsaussichten einräumen, was genau zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung führt, dass diese Bewegung zu einer unbedeutenden Minderheit wird gegen diese man dann später noch Sanktionen verhängen kann.

Gleiches funktioniert natürlich auch auf umgekehrtem Wege, indem Minderheiten der Gesellschaft suggeriert wird, die Mehrheit der Gesellschaft stünde hinter ihr, so dass sich viele, die noch nicht Teil dieser Bewegung sind, ihr anschließen um nicht „abseits“ zu stehen oder sich sicher zu fühlen, dass sie ein Teil der „Mehrheit“ sind. Auch hierdurch lassen sich politische oder gesellschaftliche Änderungen schaffen, die in ihrer ursprünglichen Form nicht mehrheitsfähig gewesen wären.

Die nächste Gefahr dieser individualisierten Ansprache besteht darin, dass unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden. Das ist zwar an sich nichts neues, schon die alten Römer waren mit divide et impera (teile und herrsche) sehr erfolgreich, doch funktioniert das inzwischen viel effektiver, da die Akteure von Gruppen (oft) mit Klarnamen und vielen zusätzlichen Informationen (Partner, Arbeitgeber, Mitgliedschaften in Organisationen, etc), öffentlich auftreten und so schnell im Rahmen von Shit-Storms aufgrund ihrer persönlichen Meinung starke Konsequenzen (Trennung vom Partner, Jobverlust, Hausbesuche,…) ausgesetzt sein können. Gerade im Bereich des Arbeitsverhältnisses haben gerade viele, die in prekären oder Niedriglohnjobs ihr Geld verdienen, zu viel Angst diesen zu verlieren und folgen dann lieber der ihnen auf den Plattformen (und ggf. den klassischen Medien) als Mehrheit präsentierten Strömungen.

Eine weitere Gefahr für die Freiheit bieten digitale Medien durch ihre weltweite Verbreitung. Zwar ist es technisch durchaus möglich, dass sich eine Person in Indien eine Nachrichtensendung des Schweizer Fernsehens SRF anschauen kann, das Interesse daran ist aber (auch abgesehen von der Sprachbarriere) überschaubar.

Filterblasen bzw. Interessengruppen auf sozialen Medien funktionieren über Landesgrenzen hinweg. Klimawandelleugner oder Anhänger der Theorie, das die Erde eine Scheibe sei, folgen nahezu den gleichen Verhaltensalgorithmen, egal wo sie sich auf der Welt aufhalten. Dadurch lassen sich nicht nur auf Ebene eines einzelnen Landes, sondern fast weltweit Menschen zu einem gemeinsamen Konsens zusammenführen, bzw. deren Ansicht, dass sie zu einer Mehrheit oder Minderheit gehören, bestätigen.

Neuestes Beispiel zum Zeitpunkt dieses Artikels ist die sogenannte COVID19 Pandemie. Allein durch Bilder im (staatsnahen) Fernsehen ließen sich Menschen in aller Welt nicht in „Angst und Sorge“ um die Gesundheit verbinden. Durch die internationale Vernetzung der Menschen auf diesen Plattformen kennen aber auf einmal sehr viele jemanden „am anderen Ende der Welt“ persönlich, der von schlimmen Zuständen dort berichtet und somit fühlen sich Menschen als Teil einer globalen Krise. Werden parallel in den meisten Ländern der Welt die Menschen, die der Situation kritisch gegenüber stehen (ohne an dieser Stelle zu bewerten ob das zurecht passiert oder nicht), lächerlich oder gar Mundtot gemacht (Bezeichnung als „Covidioten“ oder Löschung von Profilen), ergibt sich eine breite Basis in der weltweiten Gesellschaft, die „allem was nötig ist“ um die Krise zu beseitigen zustimmen, ohne vielleicht selbst beurteilen zu können, was nötig ist.

Während in analogen Zeiten das Vorgehen gegen solche Minderheiten noch sehr aufwendig war, lässt sich in der digitalen Welt schnell unerwünschtes Handeln bestrafen. Vorreiter ist hier technologisch gerade China mit dem dortigen Social Credit System, bei dem systemtreues Verhalten belohnt und unerwünschtes Verhalten bestraft wird, aber nicht mehr durch Waffengewalt, sondern Sanktionen im Alltag (z.B. keine U-Bahn mehr nutzen können).

Da sich ein solches System in „westlichen“ Gesellschaften nicht so direkt wie in einem Land wie China einführen lässt – es wäre zu viel Widerstand aus der Bevölkerung zu erwarten – bedarf es hier einiger Umwege. Die folgenden Beispiele sind rein willkürlich und könnten Wege sein, ein solches System zu etablieren, es soll damit aber nicht gesagt werden, dass das auch tatsächlich passiert. Die Bewertung sei dem geneigten Leser überlassen.

  • Menschen mit Vorstrafen dürfen gewisse Berufe nicht ausüben
  • Menschen mit offenen Steuerschulden erhalten „Gewerbeverbot“ und dürfen sich nicht selbständig machen
  • Menschen ohne Covid-Impfung dürfen keine Flugreisen unternehmen
  • Menschen die ihre Ernährung und Fitnessaktivitäten mit ihrer Krankenversicherung teilen zahlen einen niedrigeren Beirag
  • Menschen die ihr Auto per GPS überwachen lassen zahlen weniger KFZ Versicherung
  • Menschen, die keine Gender-Sternchen in ihrer Dissertation verwenden bekommen eine schlechtere Note
  • Menschen, die online eine unpopuläre Meinung vertreten, werden entlassen
  • Menschen die verschlüsselte Kommunikation verwenden sind verdächtig und werden überwacht

Solche Maßnahmen im Zusammenhang mit der weltweiten Verbindung der Menschen in sozialen Netzwerken schaffen eine sich selbst verstärkende Entwicklung, da man jeweils im anderen Land über den Tellerrand schaut und sieht „die Anderen machen es ja auch so, dann muss es gut sein“.

Der Endgegner der digialen Welt liegt aber in der großen Datenbank bzw. dass das Internet nicht vergisst.

Dadurch, dass Staaten immer mehr Informationen über ihre Bürger und Besucher sammeln ergibt sich ein brisantes Missbrauchspotential. Während man die aktuelle Gesellschaft oder Regierung als vertrauenswürdig einstufen könnte, dass sie mit diesen Daten (hinreichend) vertrauensvoll umgeht, sind diese Daten auch immer für die Herrschenden der Zukunft verfügbar und schnell wird dort aus einer digitalen Krankenakte wieder ein Diskrimierungsgrund oder aus Trackinginformationen, wer sich wann mit wem wo aufgehalten hat ein Grund für Verfolgung.

Lösungen für diese Herausforderungen liegen leider nicht auf der Hand, gerade wer einen internationalen und nicht mit den Ansichten der Mehrheit konformen Lebensstil pflegt, dürfe in Zukunft mehr und mehr neue Herausforderungen durch die Digitalisierung und die damit einhergehende Harmonisierung der Welt und der daraus folgenden Einheitsmeinung der Weltbevölkerung  zu bewältigen haben.